Das Stuttgarter Beratungshaus Hanselmann & Compagnie mit mittlerweile fast 50 Mitarbeitern begleitet Unternehmen der Automobil- und Zulieferindustrie, von Industriegütern und Technologie sowie Maschinen- und Anlagenbau. Klarer Fokus: Strategie, Entwicklung und Operations.

Nach seinem Diplom als Wirtschaftsingenieur an der Universität in Kaiserslautern und Promotion zum Dr.-Ing. an der Universität Stuttgart erwarb Dr. Jochen Hanselmann Beratungskompetenz beim Fraunhofer-IPA, Arthur D. Little und der Technologie Management Gruppe (TMG). Bei einem Automobilzulieferer aus dem Motorenbereich war er Mitglied der Geschäftsleitung.

DER PROZESSMANAGER: Vor 12 Jahren gründeten Sie die Hanselmann & Compagnie GmbH in Stuttgart. Was waren die wichtigsten Stationen auf Ihrem Weg zum Unternehmensgründer? … und warum?

Dr. Jochen Hanselmann: In meiner gesamten „Lehrzeit“ am Institut, bei renommierten Beratungen und in der Industrie habe ich einige Erfahrungen gesammelt. Zum Beispiel, dass die langgedienten „Beratungsurgesteine“ oft versucht haben, uns Jungen einzubremsen. Irgendwann war ich so weit, dass ich Lust hatte, mich freizuschwimmen. Ich wollte zeigen, dass ich mit meinen eigenen Ideen und praktischem Know-how am Markt bestehen kann. Die größte Kritik an den Beratern ist ja immer, dass sie vom eigentlichen Geschäft nichts verstehen. Hier habe ich bekanntlich angesetzt. Als Geschäftsführer eines international aufgestellten Kunststoffzulieferers für die Automobilindustrie bringe ich auch heute ein „Testlabor“ und die nötige Bodenhaftung mit. Angefangen habe ich ganz klein – mit zwei Personen. Hochflexibel, aber mit einer klaren technologischen Ausrichtung. Und dem sind wir bis heute treu geblieben. Groß geworden sind wir dann mit einem ostwestfälischen Unternehmen, einer der weltweit größten Hersteller von Möbelbeschlägen, bevor z. B. Mercedes und andere Unternehmen bei uns angefragt haben.

DER PROZESSMANAGER: Als externer Berater erhalten Sie viele Einblicke in unterschiedliche Unternehmen. Dabei spielt die Digitalisierung und der Einsatz von Robot Process Automation (RPA) eine zunehmende Rolle. Wie hat sich Ihre Beraterleistung seit den Anfängen vor 10 Jahren verändert?

Dr. Jochen Hanselmann: Selbstverständlich setzen wir Prozessautomatisierung ein, um zu mehr Erkenntnissen in kürzerer Zeit zu kommen. Generell unterstützen uns digitale Tools dabei, transparenter und schneller zu werden. Doch Digitalisierung halte ich auch nicht für das Allheilmittel. Hier fahren wir einen grundsätzlich anderen Ansatz als viele Kollegen. Unser Fokus liegt auf den Kernprozessen – beispielsweise die Produktion eines Fahrzeugs oder einer Komponente – die die DNA des Unternehmens widerspiegeln. Dabei suchen wir nach den Schaltstellen, an denen Digitalisierung erfolgsversprechend ist. Dafür lassen wir dann unsere Partner aus unserem Ecosystem ran, die für diese Felder spezialisiert sind, wie Signavio, M-Files, T-Systems, Information Builders und Proventa.

Insofern beinhaltet die Digitalisierung für uns einen Effizienzeffekt – aber kein Kreativitätseffekt. Und auf den kommt es in der Beratung an. Grundsätzliche Themen, wie die Richtung von Entwicklungen und Wachstumsentscheidungen, benötigen konzeptionelles und kreatives Denken. Das nimmt einem kein Tool dieser Welt ab. Gute Beratung basiert nach wie vor auf Erfahrung, sauberer Methodik aber auch Bauchgefühl. Insofern hat sich die direkte Beratung bei uns weniger verändert, als man vielleicht annehmen möchte.

DER PROZESSMANAGER: Zu den Consulting-Services Ihres Unternehmens zählt unter anderem die Unternehmens- und Prozessorganisation. Wie genau organisieren Sie Unternehmen und Prozesse?

Dr. Jochen Hanselmann: Statt lediglich an den Personalkosten zu drehen, interessiert uns der technologische Prozess. Die Fragestellung lautet immer: Was ist der Wertbeitrag für einen End-to-End-Prozess? Was kann die Technologie leisten, was davon haben wir schon im Haus? Wie wird es schneller, präziser, besser, mit weniger Ausfall, mehr Produktionszeit? So gehen wir Modul für Modul die entscheidenden Prozesse durch. Dafür haben wir unsere Prozess-Organisationsprinzipien aber keine Blaupause, so wie viele Industrie 4.0 verstehen. Wir beschäftigen uns vor allem auch mit Lösungen für die Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen, die immer komplexer werden. Wichtig ist dabei auch, die Mitarbeiter mitzunehmen. Im Moment testen wir zum Beispiel mit Technologie unseres Ecosystem-Partners T-Systems – Steuerungstechnik/Sensorik in den Kernprozessen. Allerdings hat die Technologie den Kernprozessen des Unternehmens zu folgen und nicht anders herum.

DER PROZESSMANAGER: Welche fachlichen und persönlichen Fähigkeiten sollte ein Prozessmanager besitzen, der in diesem Bereich arbeiten will?

Dr. Jochen Hanselmann: Die fachliche Expertise mit exzellentem technischem und Branchenwissen, das über den Tellerrand hinausgehen muss, setzen wir voraus. Denn schließlich entwickeln wir in den Unternehmen vor Ort auch technische Lösungen mit. Bei uns sind dies meist junge Wirtschaftsingenieure, die erst einmal eine General-Management-Ausbildung in unserem Haus durchlaufen. Unsere Consultants brauchen Führungsqualitäten, denn sie agieren in ihrem Aufgabengebiet wie Leiter einer funktionsübergreifenden Einheit. Aber sie sollten sich nicht zu schade sein, auch mal in Produktionsabläufen mitanzupacken. Aus diesem Grund suchen wir nach starken Persönlichkeiten, die über soziale Skills, eine deutliche Serviceorientierung und eine Hands-on-Mentalität verfügen. Die Probezeit nehmen wir sehr ernst. Unsere DNA sollten die Neuen bereits vom ersten Projekt an internalisiert haben. Denn wir möchten, dass unser typischer Arbeitsstil in unserem engen Kontakt mit unseren oft langjährigen Kunden bestehen bleibt.

DER PROZESSMANAGER: Warum ist Geschäftsprozessmanagement wichtig? Welchen Stellenwert wird das Geschäftsprozessmanagement in den nächsten Jahren einnehmen?

Dr. Jochen Hanselmann: Ein zielgerichtetes, durchgehendes Prozessmanagement entscheidet schon heute über die Performance und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Es verbindet die Unternehmensstrategie mit der Umsetzung im Tagesgeschäft und bildet damit das Rückgrat für ein auf Effizienz getriebenes Kerngeschäft. Aber die Bedeutung eines klar ausgerichteten Geschäftsprozesses wird noch dramatisch zunehmen angesichts der globalen wirtschaftlichen Komplexität, die sich derzeit sichtlich zuspitzt. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit verlängerten Wertschöpfungsketten. Wer bestehen will, muss agil genug sein, um sich auf die permanenten Veränderungen an Anforderungen, Rahmenbedingungen und den steigenden Konkurrenzdruck anpassen zu können. Mit unseren Kunden sind wir bereits auf einem guten Weg.

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