Mit seinem kritischen Blick auf Strukturen und Arbeitsweisen erkennt Gerhard Schneider schnell, was die Wertschöpfung eines Unternehmens behindert und wo Verschwendung stattfindet. Mit seiner Empathie und seiner Expertise sowohl im Systems Engineering wie auch bei modernen, agilen Arbeitsweisen eröffnet er Unternehmern, Führungskräften und Mitarbeitern neue Perspektiven auf eine konsequent wertschöpfungszentrierte und zukunftsfähige Organisation.

DER PROZESSMANAGER: 2011 entschieden Sie sich dazu, die innoreq GmbH zu gründen. Nun agieren Sie als Geschäftsführer und systemischer Coach. Wer oder was hat Sie zu dem Schritt in die Selbstständigkeit inspiriert oder beeinflusst?

Gerhard Schneider: Ich hatte bereits viele operative und strategische Funktionen ausgeübt und in sehr unterschiedlichen Branchen gearbeitet. Mein Blick war immer der eines Querdenkers; ein „das ist halt so“ gibt es für mich nicht. Wenn etwas nicht rund lief, habe ich mir immer sofort überlegt, wie es anders und besser funktionieren könnte.

In meinen Rollen war ich zumeist an der Schnittstelle zwischen Kunden und Lieferanten unterwegs. So kam ich auch zum Systems Engineering und hier insbesondere zu meinem Schwerpunkt Anforderungsmanagement: Wie stelle ich für ein Produkt sicher, dass es am Ende das ist, was der Kunde benötigt – und wie finde ich das überhaupt heraus?

Natürlich schaut man sich auch immer an, wie andere arbeiten, und man wird von dem geprägt, was im eigenen Umfeld bislang üblich ist. Ich bin aber immer wieder über Situationen gestolpert, für die ich zwar irgendwelche, aber keine meiner Meinung nach wirklich adäquaten Methoden und Strategien zur Verfügung hatte.

Als ich Ende der Nullerjahre mit Agilität und Scrum in Kontakt kam, war das fast wie eine Erleuchtung – es geht auch ganz, ganz anders. Aber zwischen „Das ist mein Weg!“ und „Was bedeutet Agilität eigentlich wirklich?“ liegt eine sehr lange Strecke der Erkenntnis.

Zunächst hat Agilität bei meiner eigenen Arbeit viele Probleme erst gar nicht entstehen lassen. Ich konnte fokussierter, nutzenorientierter und auch menschlicher arbeiten. Deshalb war es 2009 ein logischer Schritt, mit der Summe meiner Erfahrungen die Dinge so angehen und tun zu können, wie ich das vor mir selbst guten Gewissens vertreten kann.

Zu Beginn hatte ich eine ziemlich formalistische, fast missionarische Haltung – Scrum ist in seiner Einfachheit schon ziemlich genial und darum verführerisch. Das hat sich dann aber in dem Maße geändert, in dem ich lernte, wie durch diese Form die „weichen“ Faktoren ermöglicht und befördert werden. Um dafür noch besser gerüstet zu sein, begann ich dann noch eine Ausbildung zum systemisch-konstruktivistischen Coach bei der ESBA.

DER PROZESSMANAGER: Sie schilderten uns, es ginge letztendlich darum, “den Unternehmen dabei zu helfen, eine Refokussierung aller Aktivitäten auf die Wertschöpfung und auf die Kunden- und Marktbedürfnisse zu erreichen. Das war eigentlich schon immer Ziel des Prozessmanagements, gerät aber nach meiner Beobachtung leicht aus dem Blickfeld”. Worauf liegt stattdessen der Fokus? Wie gelingt es Ihnen den Fokus auf das Wesentliche umzulenken?

Gerhard Schneider: Ich provoziere mal: Ziel von QM-Systemen ist es, Verschwendung – japanisch: Muda – zu vermeiden und auf das Wesentliche zu fokussieren. Faktisch verwässern nach meiner Beobachtung die Unmengen von Prozessen, Anweisungen, Richtlinien, Modellen, Vorgaben den Blick auf das Wesentliche.

Das ist aber keine Kritik an denen, die sich mit QM und Prozessen befassen. Ich denke, die Ursache liegt sehr viel tiefer: In den heute üblichen Organisationsstrukturen, sowie in der real gelebten Kultur von Unternehmen, Führungshierarchien und Mitarbeitern.

Wo sind die Unternehmen, in denen man begeisterte und begeisternde Mitarbeiter sieht? Wo werden Neugier und Experimentierfreude gefördert? Wo freut man sich über gefundene Fehler, weil sie eine Chance zur Weiterentwicklung geben? Wo findet ehrliche Wertschätzung statt, offene Kommunikation? Wo sind die wirklich cross-funktionalen Teams mit echter Eigenverantwortung und echter Teamwork? Die Praxis, die ich kennenlerne, sieht leider oft ganz anders aus – und das macht mich traurig.

Wer sein Unternehmen wirklich zukunftssicher und wettbewerbsfähig aufstellen will, darf es nicht mehr verwalten wollen, managen wollen. Er muss es leben lassen. Und das heißt: Verantwortung dezentralisieren; Verbindlichkeit einfordern; Transparenz schaffen; Kommunikation fördern; Fehler zulassen und als Chance begreifen; Menschen stärken.

Kurz: Er muss sicherstellen, dass sich das Unternehmen nicht als Organisation, sondern als Organismus versteht, der sich jeden Tag weiterentwickelt und verändert.

Das kann gelingen, wenn er ein System gestaltet und nutzt, von dem er weiß, dass es aus seiner Struktur, seinen Prinzipien heraus funktioniert und zu regelmäßigen, sich kontinuierlichen entwickelnden Ergebnissen in der Wertschöpfung und in der Zusammenarbeit führt.

Je einfacher und verständlicher dieses System ist, desto stärker kann sich jeder auf seine Aufgabe in diesem System konzentrieren. Die Menschen, die Teams und die gesamte Organisation – sie alle können an den Problemstellungen und den gefundenen Lösungen wachsen.

Ein solches System unterscheidet sich aber signifikant von den heute üblichen hierarchischen Organisationsformen. Man glaubt zwar, Aufbau- und Ablauforganisation formal zu beherrschen. Dabei übersieht man aber, dass enorme Meta-Aufwände nötig sind, um z.B. die Kunden- und Problemorientierung mitsamt der dazugehörigen Kommunikation sicherzustellen.

Da wäre es doch deutlich sinnvoller, dies zu vertauschen: Ein organisatorisches System, das Kunden, Nutzen, Werte ins Zentrum stellt, und Meta-Aufwände nur für das Wenige akzeptiert, was sich darum herum abspielt.

Sagen wir mal, ein Team möchte neue Software, um besser für seine Kunden arbeiten zu können. Wie sinnvoll ist es, hierfür lange Excel-Sheets für Business-Cases zu rechnen; einen Bestellprozess anzustoßen, der über alle Ebenen bis zur Unternehmensleitung führt und immer wieder aufs Neue Argumentationen benötigt; der wachsende Verteiler nach sich zieht und sich über ein halbes Jahr erstreckt? Wo wird sichtbar, was das alles kostet?

Wäre es demgegenüber nicht sinnvoller, das Team mit eigenem Budget auszustatten, das es eigenverantwortlich nutzen kann? Es z.B. zuvor darauf zu verpflichten, IT-Sicherheitsstandards nachvollziehbar zu berücksichtigen? Das Team und seine Arbeit könnten so binnen ganz weniger Wochen von den Vorteilen der Software profitieren.

Wo sind heute diejenigen, die solche Fragen überhaupt stellen? Und welche Erfolgswahrscheinlichkeit hätten sie mit so einem Vorschlag in den heutigen Organisationen?

DER PROZESSMANAGER: In Ihrem Artikel “Managen Sie noch Prozesse?” raten Sie Prozessmanagement anders zu denken. Inwiefern unterscheidet sich Ihr Ansatz vom klassischen Prozessmanagement?

Gerhard Schneider: Da muss ich ein bißchen ausholen. Ich kenne eine Reihe von Projekten, in denen Prozessveränderungen generalstabsmäßig organisiert wurden. Bestandsaufnahme, Konzeption, der Gang durch die Instanzen. Ist die Genehmigung irgendwann da, wird ein Projekt aufgesetzt, ein Projektleiter benannt, ein Team zusammengestellt, viel geplant. Bis die Arbeit richtig los geht, ist schon sehr viel Zeit vergangen.

Ob die ursprünglich identifizierten Probleme und Rahmenbedingungen dann überhaupt noch so bestehen, und ob das Konzept noch immer eine adäquate Lösung darstellt, ist längst nicht mehr sicher. Eine kontinuierliche Adaption ist schwierig, weil man dann wieder durch die Gremien müsste – der Gang zum Change Control Board muss vorbereitet sein, und oft ist dieser Gang unangenehm.

Ob die erarbeiteten Lösungen von den Mitarbeitern akzeptiert und mitgetragen werden, ist noch eine ganz andere Frage. Mir hat ein Mitarbeiter mal gesagt: „Wir haben schon so viele Veränderungen erlebt – wir arbeiten einfach wie immer.“ Das sagt viel aus.

Mit einem ganz einfachen System der Wertschöpfungsorganisation, bei dem die kontinuierliche Weiterentwicklung der Prozesse aus dem System selbst heraus stattfindet, kann der Fokus auf die Wertschöpfung viel besser gelingen. Als Beispiele: die Retrospektiven im Scrum (Teamfokus) oder das Delegation Poker aus dem Management 3.0 (Verantwortungsverteilung).

Die Herausforderung bei einem solchen System entsteht, wenn man es lebt: Es schafft Transparenz, die auch Konflikte zutage fördert. Zwischenmenschliche, solche zum Entwicklungsgegenstand; lange schwelende, die jetzt aufbrechen; neue an Stellen, wo man sie nicht erwartet hätte.

Bisher gelten Konflikte oft als eine Störung im Betriebsablauf, das zu vermeiden ist. Das Wort „Eskalation“ ist negativ belegt. Coaches und Mediatoren im Unternehmen gibt es kaum. Jeder soll einfach funktionieren.

Jedoch bieten Konflikte viele Chancen: Setzt man sich konstruktiv mit ihnen auseinander, lernen alle dazu, bauen Verständnis füreinander auf, bauen Vorurteile ab, entsteht Neues. Das muss aber kompetent moderiert werden – eine Aufgabe beispielsweise für Scrum Master oder Agile Coaches.

Mit dieser Transparenz umzugehen müssen der Einzelne wie die Gemeinschaft also lernen. Jeder im Unternehmen muss dazu befähigt werden, im neuen System leben zu können: Was ist meine neue Rolle? Wie kann ich diese Rolle bestmöglich leben? Wie kann ich in dieser Rolle Vorbild sein in der Art, wie ich kommuniziere, wie ich wertschätze, wie ich kritisiere? Wer hilft mir bei Schwierigkeiten? Und vieles andere mehr.

Die Unternehmensführung hilft wirksam beim Aufbau eines solchen Systems. Sie sorgt dafür, dass es zum „Point of no return“ gelangt – dem Punkt, an dem es aus sich heraus lebt. Bei dieser Hilfe ist ein kritischer Erfolgsfaktor die Unterstützung der Menschen. Egal, welche Rolle sie bisher hatten: sie werden sich weiterentwickeln, und dabei brauchen sie Begleitung und Hilfe. Gut ausgebildete Coaches, die auch dauerhaft in der Organisation verankert werden sollten, können ihnen dabei helfen, die Veränderungen zu bewältigen und an diesen Veränderungen zu wachsen.

Dies geschieht durch das wertschätzende Selbstverständnis von Coaching: Der Mitarbeiter ist Experte für sein Problem und damit auch für die Lösung dieses Problems. Der Coach führt den Prozess, durch den der Mitarbeiter neue Perspektiven für mögliche Lösungsansätze gewinnt. Ergänzt durch methodisches Wissen und eine agile Haltung können sie so – ohne in der Sache selbst Einfluss zu nehmen – den Mitarbeiter, sein Vertrauen in sich selbst und die Veränderung, seine Kreativität und Innovationsfähigkeit stärken.

Warum sollte sich ein Unternehmen aber überhaupt auf diesen Weg begeben wollen? Die Komplexität, die den meisten Systemen innewohnt, in denen wir leben, oder die wir realisieren, hat längst den Punkt überschritten, bis zu dem ein zentrales Management sinnvoll möglich ist.

Die heutigen arbeitsteiligen Systeme stammen aus einer Zeit, in der Menschen sich den Maschinen anpassen mussten. Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, erfordern aber alle Kreativität und Innovation, zu der wir fähig sind. Wir können nicht alles planen oder vorhersehen – dieser Glaube herrscht aber noch immer großflächig vor.

Zudem verändern sich die Anforderungen von Märkten und Kunden sehr viel schneller als früher. Mit schwerfälligen Entwicklungsprozessen und langen Produktzyklen wird der Erfolg gefährdet. Aufmerksamkeit bekommt man am ehesten mit disruptiven Ideen und Produkten. Dass etwas im Markt funktionieren wird, was man sich selbst reiflich überlegt, ist längst nicht gesagt.

Auch wenn wir uns noch nicht vorstellen können, dass die Dinge ganz anders funktionieren können, als wir es bislang gewohnt sind: Fassen wir den Mut, es einfach mal anzugehen, auszuprobieren! Seien wir für Andere und für Anderes offen! Seien wir uns demütig bewusst, dass keiner von uns perfekt ist!

Mit dieser Haltung – und diese Haltung ist für mich der Kern der Agilität – könnten wir meiner Überzeugung nach nicht nur in der Wirtschaft, sondern in der gesamten Gesellschaft enorm viel bewegen. Ich bin explizit auch nicht der Auffassung, dass wer Visionen hat zum Arzt gehen sollte – ganz im Gegenteil: Ich sehe viel zu wenige Visionen und Utopien, die Menschen begeistern und motivieren können.

Das, was als „New Work“ oder als „Agilität“ bezeichnet wird, gehört für mich zu einer solchen Utopie. Sehen Sie sich nur mal „Die stille Revolution an“ und beobachten Sie, wie sich die Gesichter der Mitarbeiter verändern, wenn sie über frühere Zeiten und über ihr jetziges Leben erzählen. Das zeigt besser als alles andere, was eine solche Veränderung des Unternehmens hin zu einer fokussierten, sinnvollen und sinnstiftenden Arbeitsweise wirklich bedeutet.

Wer ein Unternehmen sich wirklich verändern lassen möchte, muss bei sich selbst anfangen. Er muss es wollen – auch gegen Widerstände und Hindernisse. Er muss es fördern – auch wenn es weh tut. Er muss Vertrauen schenken und Verbindlichkeit leben – auch wenn er sich aus Dingen heraushalten muss, die er gerne beeinflussen würde.

Kurz: Er muss ein Vorbild sein. Und das gilt für jeden Einzelnen im Unternehmen, egal, was er bislang getan hat. Was auch immer er zukünftig tun wird: Er wird ein neues Bild auf eine weiße Leinwand malen – aber niemand weiß, ob impressionistisch, kubistisch, abstrakt oder klassisch.

Grafik: Schreiben

Das Unternehmensschiff begibt sich – wie seinerzeit Kolumbus – auf eine lange Reise; getrieben durch eine Vision; ohne den Weg zu kennen; mit Sonnenschein und Stürmen. Kein Projekt mit definiertem Start und Ende.

Wenn aber jeder spürt, lernt, weiss, erlebt, dass es funktioniert, gewinnt er das notwendige Vertrauen: Wir entwickeln uns. Wir erschaffen Werte. Wir stiften Sinn. Und jeder wird seinen Platz finden, gemäß seiner Interessen, seiner Fähigkeiten, seiner Werte.

Das Prinzip ist also ganz einfach: Wende die Prinzipien, die für agile Entwicklungen gelten, auf die Prozessveränderung selbst an. Das Produkt ist ein anderes, das System ist dasselbe.

DER PROZESSMANAGER: Lässt sich Ihre Methode, Prozessmanagement anders zu denken, auf Unternehmen jeder Art und Größe übertragen? Welche positiven und negativen Erfahrungen haben Sie bei der Verwendung dieser Methode gemacht?

Gerhard Schneider: Ich glaube in der Tat, dass beispielsweise Familienunternehmen gegenüber börsennotierten Unternehmen einen gewissen Startvorteil haben, weil sie traditionell eine eher langfristige, werterhaltende Perspektive einnehmen und ein hohes Maß an Identifikation bieten.

Aber in einer Welt mit solchen Herausforderungen muss ein Unternehmen schnell und kontinuierlich anpassungsfähig sein. Damit meine ich: Es muss nicht nur reagieren können, sondern die Veränderungen antizipieren und idealerweise treiben. Sonst wird es über die Zeit vom Markt verschwinden. Davor sind kleine und große Unternehmen gleichermaßen nicht gefeit.

Je früher eine solche Transformation beginnt, desto weniger muss man mit Zwängen umgehen, die früher oder später entstehen werden – sei es der Fachkräftemangel oder eine Rezession. Ein „weiter so“ wird in keinem Fall funktionieren, auch wenn die Zahlen heute noch glänzen. Weil ich heute die Mittel dazu habe, sollte ich damit starten – und nicht warten, bis eine Krise die Zwänge zu dieser Veränderung schafft. Das schmerzt dann richtig und erschwert die Transformation ungemein.

Es gibt eine zum Teil hitzige Debatte zum Themenfeld „New Work“ und „Agilität“. Viele sprechen mit sehr unterschiedlichen Interessen darüber, viele haben sehr unterschiedliche Erfahrungen gesammelt, und man liest viele Artikel der Art „Agile ist tot“ oder „Lange lebe Agile“.

Ich mag all das überhaupt nicht. Man wirft mit Schlagworten um sich, je provokanter, umso besser. Man dringt aber nur selten zum Kern der Sache vor. Viele Diskussionen dienen nur der Statusbewahrung und haben nichts mit einer zukunftsorientierten Haltungsänderung zu tun, wie sie für solche Veränderungen notwendig ist.

Wenn eine agile Transformation in einem Unternehmen (noch) nicht funktioniert oder länger als gedacht dauert – wobei wir diesen Denkfehler bereits kennengelernt haben -, dann heißt das für andere Unternehmen erst einmal: Gar nichts. Jedes Unternehmen ist anders, die Führung eines jeden Unternehmens ist anders, die Menschen in jedem Unternehmen sind anders.

Für eine solche Transformation gibt es keine Vorlage: „Mach’s so und so, und dann funktioniert’s.“ Es kommt entscheidend darauf an, wie dieser Veränderungsprozess gestartet und gestaltet wird, wie gut alle eingebunden werden und die Möglichkeit zur aktiven Mitgestaltung bekommen. Es muss eine begeisternde, sinnstiftende, werthaltige Vision vorhanden sein. Alle müssen kleine Schritte gehen, um schnell erkennen zu können, ob der Weg stimmt oder korrigiert werden muss, um auszuprobieren und zu lernen.

Wenn ich als Unternehmen nicht wirklich bereit bin, mich vollständig zu verändern, dann brauche ich keine agile Transformation zu starten. Der ehrliche Wille seitens der Unternehmensleitung ist eine notwendige und dauerhaft erforderliche Voraussetzung. Bodo Janssen ist da ein leuchtendes Vorbild.

Das Allerwichtigste aber ist die Arbeit mit den Menschen. Sie zu ermutigen, sich zu trauen, Dinge auszuprobieren, Neues zu wagen, anders zu denken und zu arbeiten, sich zu öffnen, zu lernen, Fehler machen zu dürfen, neue Perspektiven zu öffnen und zu ermöglichen. Das ist aber auch das Schwierigste, das am meisten Unterschätzte. Es erfordert eine Investition in die Menschen und in Coaches, die ihnen helfen – das ist aber ziemlich sicher diejenige Investition, die sich am meisten auszahlen wird.

DER PROZESSMANAGER: Wie managen Sie als Experte Ihre beruflichen sowie persönlichen Prozesse?

Gerhard Schneider: Auf meinem Weg vom Berater zum Coach ist mir leider immer sehr präsent, wie oft ich in alte Denkmuster zurückfalle und dadurch in meiner Vorbildfunktion und in meiner Arbeit versage. Es ist ein stetes Bemühen, das aber auch Rückschlägen unterliegt. Damit muss man umzugehen lernen.

Darin unterscheide ich mich aber nicht von dem, was jeder Mitarbeiter bei solchen Veränderungsprozessen erlebt. Seine eigene Haltung stetig weiterzuentwickeln – und dazu gehört meiner Überzeugung nach übrigens auch das Einmischen bei gesellschaftlichen Fehlentwicklungen – ist ein sehr schwieriger Prozess. Daher weiß ich ziemlich gut, was ich meinen Kunden zumute, kann ihnen aber eben auch eine entsprechende Empathie entgegenbringen.

Wenn Sie mich nach konkreten Tools oder Methoden fragen: Ich nutze ich sehr gerne Methoden aus Management 3.0, Liberating Structures, Scrum, aber auch z.B. aus XP oder Kanban. Da gibt es einen riesigen Baukasten, in dem man für fast jede Situation etwas Passendes finden kann. Die Auswahl muss man aber immer sehr bewusst treffen.

Dass mein Tag für all das, was ich gerne machen würde, dennoch zu kurz ist, daran ändert sich leider auch dadurch nichts. Und natürlich ist auch mein Verbrauch an Haftnotizen exorbitant.

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