DER PROZESSMANAGER: Hallo Herr Dr. Mendling, Ihr beruflicher Werdegang ist beeindruckend abwechslungsreich: Programmierer, Bankkaufmann, Gründungsmitglied der Berliner BPM-Offensive. Inzwischen sind Sie Professor am Institut für Informationswirtschaft, stellvertretender Leiter des Departments für Informationsverarbeitung und Prozessmanagement an der Wirtschaftsuniversität Wien sowie Vorstand der Gesellschaft für Prozessmanagement (GP).

Wie kam es zu diesem ungewöhnlichen Werdegang?

Prof. Dr. Jan Mendling: Nun, die Erklärung dazu ist doch recht unspektakulär. Meine Eltern waren beide Lehrer, da war von Anfang an immer eine hohe Wertschätzung für Wissen da und das hab ich wohl schon früh aufgesogen. Trotz des Umwegs über die Bankausbildung war mir sehr früh klar, dass ich studieren und auch promovieren möchte. Da ich mich sowohl für formal- als auch sozialwissenschaftliche Inhalte interessiere, war es ein großartiger Zufall, dass nach meinem ersten Studienjahr in Trier dieser neue Studiengang Wirtschaftsinformatik eingerichtet wurde. Ich hatte davon noch nie gehört. Da habe ich dann meine universitäre Heimat gefunden, und die Geschäftsprozesse stellten sich als die entscheidenden Bindeglieder zwischen Geschäft und Informationssystemen heraus. Entscheidend waren hier Markus Nüttgens, der mich noch in Trier auf das Thema Prozessmodellierung brachte, Gustaf Neumann, der mich durch meiner Promotion begleitete, und Will van der Aalst, der als Zweitbetreuer wichtige externe Impulse lieferte.

DER PROZESSMANAGER: Fachlich ist Prozessmanagement nicht neu. Allerdings rücken laut Google Trends Schlagworte wie Robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) in jüngster Vergangenheit vermehrt in den Fokus der Suchanfragen in diesem Themenbereich.

Entspricht das auch Ihrer Wahrnehmung und welche Schlagworte und Trends sind für die kommenden Jahren zu erwarten?

Prof. Dr. Jan Mendling: Werkzeuge sind für das Prozessmanagement extrem wichtig. Vier große Bereiche lassen sich hier aktuell unterscheiden: klassische Modellierungswerkzeuge, klassische Workflowsysteme (nun oft BPMS genannt), Process-Mining-Tools und Robotic-Process-Automation (also Aufgabenautomatisierung). Darüber hinaus sind natürlich weiterhin klassische ERP-Systeme sehr wichtig. Ich erwarte drei Entwicklungen in den nächsten Jahren. Erstens, dass die vier BPM-Werkzeugklassen enger zusammenwachsen, bzw. durch Unternehmenszusammenschlüsse von Anbietern. Zweitens, dass BPMS Funktionalitäten für IoT und Blockchains aufnehmen. Drittens, dass sich Chatbots, Social Media und automatische Sprachverarbeitung mit BPM zusammenwachsen.

Hinweis: Die Anmeldung zur Konferenz können Sie direkt über die Seite der WU Wien vornehmen

DER PROZESSMANAGER: Im Kontext der digitalen Transformation sind Organisationen vermehrt mit disruptiven Technologien und Services konfrontiert.

Welche Auswirkung hat diese Entwicklung Ihrer Meinung nach, auf das Prozessmanagement der Zukunft?

Prof. Dr. Jan Mendling: Das wird vor allen Dingen die Konsequenz mit sich bringen, dass Prozesse besser sichtbar werden, weil Ausführungsdaten feingranular mitgeschrieben werden. Process-Mining wird dann noch besser funktionieren als heute. Damit wird auch das Prozessmanagement schneller und stärker evidenzbasiert. Für viele BPM-Abteilungen wird das ein aufregender Kulturwandel: wo man früher beschwerlich lange Interviews und Workshops halten musste, kann man nun binnen einer Woche die Flaschenhälsen und Fehlerquellen aufdecken. Für das Thema BPM bringt das eine enorme Aufwertung mit sich.

DER PROZESSMANAGER: Im September 2019 findet die 17th Int. Conference on Business Process Management (BPM 2019) in Wien statt.

Worauf dürfen sich die Besucher besonders freuen?

Prof. Dr. Jan Mendling: Ich fange einmal mit den Social Events an. Wir haben Montag bis Donnerstag jeweils eine Abendveranstaltung, um die inhaltlichen Bausteine gebührend einzurahmen. Diese finden im historischen Rauthaus, dem Arkadenhof der Universität, einem beliebten Heurigen und einem beliebten Praterbiergarten statt. Wir haben sechs herausragende Keynotes von Vordenkern und einer Vordenkerin in den Bereichen Digitalisierung, Robotic-Process-Automation, dynamische Graphen, Hyperledge, Bitcoin und Adaptive Case Management. Zudem gibt es 4 Tutorials, 1 Panel, 23 Forschungsvorträge, 13 BPM-Forum-Präsentationen, 15 Unternehmensfallstudien im Industry Forum, 8 Vorträge und 7 Poster im Zentral- und Osteuropa-Forum, 11 Blockchain-Forum-Beiträge, über 50 Workshopvorträge, 20 Werkzeug-Demos, 15 Beiträge zum Doctoral Consortium und 15 vertretene internationale Sponsoren.

DER PROZESSMANAGER: Was sind Ihre beruflichen und persönlichen Ziele für die kommenden Monate?

Prof. Dr. Jan Mendling: Die BPM Konferenz ist für mich persönlich ein Höhepunkt meiner bisherigen Karriere. Forschungsgemeinschaften in den verschiedenen Feldern vertrauen nur den renommiertesten Kollegen ihre wichtigste Konferenz an. Insofern ist die Ausrichtung an sich schon eine große Anerkennung.

Unser Anspruch ist es (ich organisiere die Konferenz gemeinsam mit Stefanie Rinderle-Ma von der Uni Wien), die beste BPM-Konferenz zu veranstalten, die es bis jetzt gegeben hat. Ich freue mich sehr auf die BPM 2019 bei uns, bin dann aber sicher auch reif für zwei oder drei Wochen Urlaub. Wir haben eine kleine Tochter und werden mit Ihr die Omas und Opas in Andernach und Stolzenhagen bei Berlin besuchen fahren.

Über den Austausch zum Thema Prozessmanagement freue ich mich sehr über XING, LinkedIn und Twitter!

Vielen Dank Herr Dr. Mendling. Wir freuen uns auf die BPM 2019 und wünschen Ihnen für den Endspurt der Planung alles gute!

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