Professor Dr. Mathias Weske leitet das Fachgebiet Business Process Technology am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam. Im Zentrum seiner Forschung stehen Geschäftsprozess- und Entscheidungsmanagement sowie der Entwurf und die Realisierung prozessorientierter Informationssysteme. Dr. Weske ist Gründungsmitglied im Leitungsgremium der Konferenzreihe Business Process Management und seit 2017 dessen Sprecher, Autor des eines Lehrbuchs im Bereich Business Process Management, Autor des ersten Online-Kurses zum Thema BPM und ein Mit-Gründer der Firma Signavio.

DER PROZESSMANAGER: Als Fachgebietsleiter für Business Process Technology haben Sie sich seit 2001 einen Namen gemacht. Wie sah Ihr beruflicher Werdegang bis zu Ihrer derzeitigen Position aus?

Prof. Dr. Mathias Weske: Nach einem Informatikstudium und einer Promotion im Bereich Verteilte Datenbanksysteme habe ich mich in den 1990er Jahren mit Workflow-Management beschäftigt und in diesem Thema meine Habilitation abgeschlossen. Nach einem Zwischenstopp in den Niederlanden bin ich an das damals noch junge HPI gewechselt und habe dort das Fachgebiet Business Process Technology gegründet.

DER PROZESSMANAGER: In 18 Jahren als einer der führenden Köpfe der Szene haben Sie sicherlich viel Veränderung gesehen.

Wie unterscheidet sich das Selbstverständnis von Führungskräften im Prozessmanagement und der Organisationsentwicklung von früher zu heute?

Prof. Dr. Mathias Weske: Als Informatiker interessiert mich insbesondere die Abbildung von komplexen und häufig flexiblen Geschäftsprozessen in geeigneten Modelle als gemeinsame Sprache zwischen Führungskräften und der Organisationsentwicklung auf der seinen Seite und Softwarearchitekten und Programmierern auf der anderen Seite. Ich kann das Selbstverständnis der Beteiligten schwerlich bewerten, beobachte aber, dass sich beide Seiten heute sehr viel offener gegenüberstehen und mehr und zielführender miteinander interagieren als dies in der Vergangenheit der Fall war. Dies liegt zum einen an den gestiegenen fachlichen Anforderungen eines dynamischen Marktes und sich häufig ändernder Rahmenbedingungen; ohne intensive Kommunikation können diese Fragestellungen heute einfach nicht mehr bewältigt werden. Zudem ist die Zusammenarbeit durch die Verfügbarkeit moderner BPM-Werkzeuge sehr viel einfacher als dies früher der Fall war.

DER PROZESSMANAGER: Natürlich hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten nicht nur das Verständnis von BPM verändert, sondern auch die technischen Hilfsmittel.

Welchen Herausforderungen stehen, Ihrer Meinung nach, Unternehmen bei der Einführung von BPM-Tools gegenüber?

Prof. Dr. Mathias Weske: In der Tat hat sich im Spannungsfeld zwischen organisatorischen und technischen Aspekten in den letzten Jahren sehr viel getan. Die Verständigung auf BPMN als lingua franca des Prozessmanagements war ein wichtiger erster Schritt. Hinzu kamen – ich komme gern darauf zurück – moderne und anwendungsfreundliche Werkzeuge wie Signavio, durch die Modelle einen hohen Stellenwert im Prozessmanagement bekommen haben, weil sie nicht mehr als Tapeten Wände zieren, sondern in gewisser Weise leben: diskutiert, verbessert, abgestimmt, umgesetzt werden. Wir beobachten gerade einen Trend zur datengetriebenen Analyse von Prozessen, Stichwort Process Mining. Ich denke, dass in diesem Bereich große Chance, aber auch Herausforderungen liegen. Die spannende Frage wird sein, welchen Beitrag Algorithmen leisten können und welche Aspekte weiterhin Fachexperten, der Organisationsentwicklung und Softwareingenieuren vorbehalten bleibt. Ich habe den Eindruck, als ob die Rolle der Algorithmen derzeit überschätzt wird und die Rolle der beteiligten Kolleginnen und Kollegen unterschätzt wird.

DER PROZESSMANAGER: Im September findet die 17th Int. Conference on Business Process Management in Wien statt. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Prof. Dr. Mathias Weske: Am meisten freue ich mich ehrlich gesagt auf den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen über aktuelle Themen und auch über solche, die erst am Horizont erscheinen. Das Programm unserer Flagship-Konferenz wird auch in diesem Jahr wieder herausragend sein und alle Aspekte der BPM-Forschung abdecken, so dass die wissenschaftlichen Vorträge ein weiteres Highlight für mich sind. Die Konferenz hat sich in den vergangenen Jahren fachlich deutlich verbreitert, so dass wir heute nicht nur technische Themen, sondern auch Managementaspekte abdecken, die für Praktiker der Organisationsentwicklung besonders interessant sind. Insofern freue ich mich auch auf die Diskussion mit Praktikern über die aktuellen Herausforderungen und die wissenschaftliche Fragestellung, die sich möglicherweise daraus ableiten lassen.

DER PROZESSMANAGER: Wie und wo informieren Sie sich darüber hinaus zu aktuellen Themen im Umfeld Prozessmanagement und Organisationsentwicklung?

Prof. Dr. Mathias Weske: Wie gerade erwähnt spielen Konferenzen dabei eine wichtige Rolle. Natürlich sehen wir auch in unseren Forschungsprojekten, wohin die Reise in der Praxis geht.

Ihnen hat das Interview gefallen? Dann dürfen Sie diese Artikel nicht verpassen: