Nun ist es also klar: Das Berufsbild des Prozessmanagers wird sich durch mindestens zwei entscheidende Trends nachhaltig ändern. Das ist der Konsens aus zwei Tagen, 20 Vorträgen und einem Future Talk, beim Prozess-Management Forum 2019 in Wien.

Zum einen sorgt Process Mining als disruptive Technologie für eine Veränderung, wie Prozesse analysiert werden. Zum anderen wird mit Robotic Process Automation die Art und Weise, wie Prozesse optimiert werden, verändert.

Doch wie kommen wir zu diesem Schluss? Wir fassen das in einem kurzen Nachbericht des Prozess-Management Forums zusammen.

Location im Herzen Wiens

Am 16. Und 17. Mai 2019 traf sich Österreichs BPM-Community zum Prozess-Management Forum. Im Radisson Blu Park Royal Palace Hotel fand das jährliche Event des Business Circle in Wien, unweit vom Schloß Schönbrunn, statt.

Wider erwarten traf man auch zahlreiche Vertreter aus Deutschland in der sehr gut gewählten Location an. Dieser Fakt wertet das Event ungemein auf, werden doch vergleichbare Veranstaltungen gerne als Klassentreffen der BPM-Gemeinde gesehen. Hier konnten also neue und v.a. qualitative Kontakte zu Praktikern geknüpft werden.

Prozess-Management Forum trifft Interessen der Branche

Unter der fachlichen Leitung von BPM-Experte Sven Schnägelberger (BPM&O GmbH) konnte die Organisation den thematischen Schmerz der Teilnehmer treffen. Deshalb behandelten alle Referenten die Fragestellung: Wohin entwickelt sich das Prozessmanagement und wie sieht die Arbeit der Prozessmanager von Morgen aus?

Die Veranstaltung startete deshalb mit eindrucksvollen Keynotes von Stephanie Borgert und Robert “Bob” Seeger.

Die Change-Expertin Borgert gab in Ihrem Vortrag “Denkfehler 4.0” die Antwort darauf, wie Komplexität in der Veränderung gemeistert und warum KI nicht unbedingt die Antwort auf alles sein muss. Sensationell an dieser Stelle: Ihr Opening wurde begleitet von der Requisite “Egal was 4.0”. Wie die Einstellung der Speakerin zur geläufigen Nomenklatur ist, war offensichtlich. Dennoch wurde der Nerv der Teilnehmer getroffen. Die alternative Denkweise zum Thema Agilität verhalf den Teilnehmern zum Nachdenken.

Die zweite Keynote hatte es dann in sich und weckte auch den letzten Teilnehmer final am frühen Morgen. Der selbstdefinierte Rockstar und Kommunikationsexperte Robert Seeger forderte mit seiner ungewöhnlichen Inszenierung, sowie eindrucksvollen Beispielen (und seiner pinken Gitarre) zu mehr User-zentriertem Denken im Prozessmanagement. Dieser gewagte Input sorgte in der anschließenden Kaffeepause für reichlich Gesprächsstoff.

Den Vormittag des ersten Tages beendete die Tech Stage auf dem Prozess-Management Forum 2019. Thema war einmal mehr Process Mining als Disruptor der Prozessanalyse. Neben Michael Huemer (BDO Austria), der in seinem Vortrag Process Mining “als Bindeglied zwischen Prozess, Menschen und Technologie” definierte, stellten die Tool-Anbieter Signavio und Lana Labs in einer kurzen Produktshow ihre Lösungen vor.

Prozess-Management Forum: Format mit parallelen Foren stößt auf Interesse

Nach dem Lunch, der viel Raum für Networking ließ, ging es dann an das Herz der Veranstaltung. Unter der Moderation von Sven Schnägelberger und Mario Moser (Liebherr) starteten die Case Studies. Der exklusive Einblick einzelner Unternehmen gab den Teilnehmern Insights in die Digitalstrategie der Referenten.

Die Aufteilung in zwei Räume ermöglichte den Teilnehmern ihren individuellen Schwerpunkt zu wählen. Den Auftakt machte Thomas Königshofer (A1 Telekom Austria) und Thomas Wildermuth (Triumph Adler). Köngishofer stellte die Entwicklung des Telekommunikationsunternehmens heraus. Wildermuth ging auf den wichtigen Aspekt der Customer Centricity im Rahmen der digitalen Entwicklung ein.

Danach gab Armin Fiedler (Bayer Group) einen Einblick in das globale Prozessmanagement bei Bayer. Er ging dabei eindrucksvoll auf den Werdegang des Prozessmanagements ein und erklärte den Weg von der Konzernstrategie zu einem implementierten BPM. Besonders die konkreten Erzählungen zu einzelnen Projekten gaben absoluten Mehrwert für die Zuhörer. Zeitgleich referierten Angelika Frauenberger (Wien Energie) und Patrick Antonio (FireStart) über die Bedeutung von automatisierten Geschäftsprozessen im Rahmen der DSGVO.

Zum Abschluss der Case Studies an Tag 1 ergriffen Michael Baldauf, Viktoria Aichhorn (beide Raiffeisenverband Salzburg) sowie Konrad Schiessl (Siemens) das Wort. Während Schiessl ein Management Review auf dem Hoshin Kari Prinzip gab, erklärten Baldauf und Aichhorn, wie radikal die Agilität bei der Raiffeisenbank Salzburg umgesetzt wird. Hier wurde ein Projektteam aus den “Jungen” geschaffen, die die Digitalisierung vorantreibt. Ganz nach dem Motto: “Give the Youth the Power!”. Passend auch das Zitat von Baldauf an dieser Stelle: “Wir alten haben doch keine richtige Ahnung über die Technik mit der die Jungen aufgewachsen sind. Warum also nicht von Ihnen lernen?”

Nach sehr viel konkretem Input regte die finale Keynote nochmals zum Nachdenken an. Die Philosophin Natalie Knapp erklärte auf einer Meta-Ebene, warum es gut ist Unsicherheit zu behalten. Sie diene dem eigenen Antrieb und ihre Abwesenheit beeinflusst Entwicklungen – für Individuen und Unternehmen.

Tag 1 endete dann mit einem abendlichen Come-Together. Als Thema wurde das 25-jährige Bestehen des Business Circle gefeiert. Auch hier kam Networking nicht zu kurz.

Round Tables und Diskussion an Tag 2

Am zweiten Tag des Prozess-Management Forums blieb den Teilnehmer sogleich die Wahl zwischen:
2 Case Studies:

  • Holger Bier, LBBW, Herausforderungen zwischen old school und new school BPM
  • Gerald Aschbacher & Obaid Malik, Greentube, How to close the gap between corporate strategy and delivery in a time critical regulated online market environment

Workshop zur eigenen Customer Journey mit Phil Winters, CIAgenda

Gefallen hat sicherlich allen Praktikern die Meinung von Holger Bier: Prozessmanagement muss schneller von “planning to execution” kommen.

Anschließend gaben Christopher Widauer und Jörg Lederbauer Einblicke in zwei Branchen die unterschiedlicher nicht sein könnten. Widauer als Head of Digital Development der Wiener Staatsoper berichtete über das digitale Erlebnis von Kunst und Kultur. Das beinhaltete die Transformation eines der international bekanntesten Opernhäuser der Welt.

Lederbauer, Vice President Process Chain der BMW Group, gab unterdessen sehr praxisorientierte Einblicke in die Evolution von BMW zur Tech-Company. Er konnte mit praktischen Beispielen die Wichtigkeit des Rund-um-Services für Automobilhersteller aufzeigen. Diese seien erst durch digitale Komponenten im Auto selbst und die dazugehörige Auswertung der Daten möglich. Spannend auch seine Aussage: “Wir haben die Digitalisierung vom Zielbild aus begonnen!”

Foto: Lederbauer Vortrag

Foto: Jörg Lederbauer beim Roundtable-Vortrag auf dem Prozess-Management Forum 2019

Das große Finale des Prozess-Management Forum 2019 war ein Symposium aus drei Elementen:

  • Vortrag von Patricia Kasandziev, Head of Division Online Customer & Digitalization Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien, zum Thema Omnikanalbank
  • Vortrag von Lukas Stühlinger, Finanzvorstand der oekostrom AG zum Thema “Energieversorger als digitales Unternehmen”
  • Future Talk – Wie sieht die Zukunft des Prozessmanagement aus? Hier kam Experte Widauer (Wiener Staatsoper) mit vielen Interessanten Einblicken zur Diskussion hinzu. Die Schlussfolgerung des Future Talks haben wir bereits vorweggenommen: Die Art und Weise wie Prozessmanager arbeiten wird sich ändern.

FAZIT: Ein Besuch, der sich lohnt!

Zum ersten Mal waren Geschäftsführer Alexander Walz und COO Nikolai Gogoll vor Ort. Schnell war klar, dass dies nicht der letzte Besuch war. Im sehr gut organisierten Rahmen konnten alle Teilnehmer wertvolle Erkenntnisse für eigene Projekte erhalten. Zudem war genügend Raum für adäquate Vernetzung untereinander.

Nach Gesprächen mit weiteren Teilnehmern fehlt lediglich das jüngere Publikum, die “Digital Natives”. Das zeigte auch der kurzfristige Altersspiegel von Keynotespeaker Robert Seeger. Lediglich zwei Teilnehmerinnen waren unter 25. Mehr Digital Natives hätte zur Folge, dass man nicht nur über sondern auch mit Ihnen über Themen, wie Agilität, spricht.

Alles in allem war sehr viel Expertise vor Ort. Sowohl Referenten, als auch Teilnehmer haben sich viel Zeit genommen um Fragen zu beantworten und weitere Themen zu diskutieren. Zudem war die Themenauswahl am Zahn der Zeit. Die Erwartungen der Teilnehmer wurden getroffen und die Projekte spiegelten genau das Marktgeschehen wider.

Es war eine rundum gelungene Veranstaltung und wir sind in freudiger Erwartung auf nächstes Jahr!

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