Drei Unternehmen arbeiten gemeinsam daran, mithilfe der Künstlichen Intelligenz (KI) einen „digitalen Prüfassistenten“ zu entwickeln, der automatisch fehlerhafte Schweißnähte erkennt und sie dem Prüfer vorlegt

Die ZfP ist anspruchsvoll und zeitintensiv, Fachkräfte für die Prüfung sind schwer zu finden. Das Ergebnis: Unternehmenseigene Prüfer ebenso wie externe Dienstleister kommen mit der Prüfung von beispielsweise Schweißnähten kaum noch hinterher – zulasten der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit von Industrieanlagen wie Raffinerien oder Kraftwerken.

Erfolgreicher Mix: etablierte Unternehmen treffen Start-up

Eine Lösung dieses Dilemmas liegt in der Digitalisierung. Zum Beispiel mit Softwaresystemen wie JiveX NDT des Bochumer Anbieter VISUS Industry IT GmbH. Mit JiveX NDT werden Prüfdaten wie Röntgenbilder basierend auf einem international anerkannten Standard digitalisiert und stehen zur Bearbeitung, Auswertung und zentralen Archivierung bereit.

Mit dieser digitalen Vereinheitlichung legt VISUS Industry IT die Basis für neue Anwendungen, die Prozesse in der ZfP weiter optimieren und fit für die Zukunft machen. Zum Beispiel für den Einsatz der KI. Und genau auf diesem Gebiet ist das Bochumer Start-up sentin Experte. Seit Anfang des Jahres bündeln die beiden Unternehmen ihr Know-how für die Entwicklung einer Softwarelösung zur automatisierten Erkennung von Fehlern in Schweißnähten.

Peter Rosiepen, Geschäftsführer VISUS Industry IT GmbH, erklärt: „Der erste Kontakt zu sentin erfolgte auf einer Veranstaltung der Bochum Wirtschaftsförderung, auf der sentin ihre Konzepte zur Anwendung von KI und Datenanalysemethoden in der Industrie präsentierte. Uns war sofort klar, welchen Mehrwert dieser Ansatz für die ZfP birgt“.

In einem ersten Schritt geht es um die Entwicklung eines sogenannten augmentierenden Systems, also einer Lösung, die dem Prüfer hilft, Fehler zu finden. Die Entscheidung darüber, ob und um welchen Fehler es sich handelt, obliegt weiterhin dem Prüfer.

„Jede Schweißnaht erzeugt bis zu 30 Röntgenfolien, die vom Prüfer akribisch begutachtet werden müssen. Bei der Vielzahl von Schweißnähten, die ein Prüfer tagtäglich bearbeitet, liegt es auf der Hand, dass ein „digitaler Assistent“ echte Mehrwerte in der Praxis schaffen kann“, erklären Kai Lichtenberg und Christian Els, zwei der vier Gründer von sentin.

Valide Daten für ein erfolgreiches Algorithmus-Training

Um einem Algorithmus „beizubringen“ wann eine Schweißnaht einwandfrei ist und wann ein Fehler vorliegt, muss er ausgiebig trainiert werden – und zwar mit echten Daten. An dieser Stelle kommt der dritte Partner ins Spiel: Die Firma Applus+ RTD, die ihr Deutschlandgeschäft von Bochum aus steuert, zählt weltweit zu den größten Dienstleistern in der ZfP mit großen Kunden u.a. aus dem Öl- und Gas–, Luftfahrt- sowie Energiesektor. Und sie zählt zu den Pionieren in Sachen Digitalisierung in der ZfP. Entsprechend verfügt das Unternehmen über ausreichend Datensätze, mit denen die Künstliche Intelligenz von sentin gefüttert werden kann. Oliver Weigt, Projektleiter Digitalisierung von Applus+ RTD Deutschland, erklärt das Engagement seines Unternehmens so: „Schon heute können wir nicht alle potenziellen Aufträge annehmen, weil unsere Prüfer ausgelastet und neue Prüfer schwer zu finden sind. Wir haben also ein sehr großes Interesse daran, die Prozesse in der ZfP zu optimieren und gleichzeitig die Prüfer in ihren Entscheidungen zu unterstützen, um ihnen mehr Sicherheit zu geben. Eine KI-basierte, automatische Markierung von Fehlern in Schweißnähten würde hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.“

Gemeinsam zum Ziel KI zu implementieren

Aktuell arbeiten die drei Unternehmen VISUS Industry IT, sentin und Applus+ RTD an einem Proof of Concept. Dessen Erstellung wird von der Wirtschaftsförderung Bochum gefördert. Die Pläne aller Beteiligten reichen aber schon weiter: Definiertes Ziel ist eine cloudbasierte Analysesoftware, die Daten aus JiveX NDT erhält, auswertet und dem Prüfer direkt Ergebnisse liefert. Peter Rosiepen ist optimistisch, dass dieses Ziel nicht in sehr weiter Ferne liegt: „Entscheidend für den Erfolg eines digitalen Prüfassistenten ist die Genauigkeit des Algorithmus und der praxisnahe, prozessorientiere Workflow. Wir sind überzeugt, dass wir für beide Anforderungen die perfekten Strategien und Resultate entwickeln werden. Ich freue mich jedenfalls darauf, den Weg mit sentin gemeinsam zu gehen.“

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