Prozessmanagement-Plattformen im Allgemeinen sowie Low-Code-Lösungen im Speziellen sind im Zuge der anhaltenden digitalen Transformation nicht mehr wegzudenken. Der ursprünglich aus der Privatwirtschaft kommende Trend ist längst auch bei den Organisationen des öffentlichen Sektors angekommen. Die Nachfrage nach Low-Code-Lösungen ist kontinuierlich steigend.

Die Zielvorgabe ist klar definiert: Der im Vergleich zu anderen Branchen spät gestartete Transformationsprozess hin in eine digitale Welt soll im öffentlichen Sektor nun durch eine möglichst zügige Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen aufgeholt werden. Denn nur durch die Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen können Arbeitsabläufe beschleunigt, Fehlerquoten reduziert und somit nachhaltig die Produktivität der jeweiligen Organisation gesteigert werden.

Auch die fortschreitende demographische ­Entwicklung wirft ihren Schatten voraus: der absehbare Mangel an Fachkräften erhöht zwangsläufig den Druck, die Abläufe weiter zu verbessern und zu (teil-)automatisieren und ihre Digitalisierung so nah wie möglich beim Bedarfsträger zu platzieren.

Die Treiber für einen höheren Digitalisierungsgrad lassen sich in zwei Gruppen differenzieren: Aus der Perspektive der Kunden sowie der Anwendenden (im Sinne der Sachbearbeitung). Die Kunden lassen eine steigende Erwartungshaltung erkennen, insbesondere an die Geschwindigkeit, an den Komfort im Sinne von Nutzungsfreundlichkeit und an die Intelligenz der Geschäfts- und Fachverfahren (einmalige Bereitstellung von Informationen, automatische Übernahme aus bereitgestellten Unterlagen etc.).

Auch Anwender haben bei täglicher Nutzung kaum Verständnis für manuell geprägte Arbeitsschritte mit zahlreichen Medienbrüchen sowie unstrukturierten und papierbasierten Dokumentenablagen und komplizierten, teils historisch gewachsenen Abläufen.

Digitalisierungs­instrument Low Code

Low-Code-Lösungen sind kundenorientiert, sie beginnen mit der Definition des gewünschten Ergebnisses. Anschließend wird der Weg dorthin zum Beispiel durch sogenannte „Microjourneys“ erfasst. Es gibt einen Hauptprozess, der für alle Eingangskanäle gilt. Änderungen und Aktualisierungen erfolgen an einer Stelle, finden unmittelbar in den Microjourneys statt und greifen somit kanalübergreifend. Silo-Denken und die Trennung zwischen einzelnen Eingangskanälen gehören somit der Vergangenheit an. Auch Legacy-Systeme kommen nicht zum Einsatz. Solche Änderungen sind in der Regel sehr komplex, zeitaufwendig und teuer. Eine­ Low-Code-Lösung verwendet lediglich die Daten, die tatsächlich auch benötigt werden.

Agiles Vorgehen

Low-Code-Lösungen basieren meist auf einer modellgetriebenen Entwicklung. Dabei kann bei der Prozesserstellung aus unzähligen vorgefertigten Komponenten sowie vordefinierten Modulen ausgewählt werden. Weiter vereinfacht wird die Nutzung von visuellen Drag-and-Drop-Tools. Die Etablierung von neuen Anwendungen oder die Anpassung bereits bestehender Anwendungen kann somit ohne große Vorlaufzeiten umgesetzt werden.

Das Vorgehen folgt dabei den agilen Prinzipien: aufwändige, vorgelagerte Konzeptionsphasen sind nicht nötig; die Umsetzung beginnt unmittelbar basierend auf einem grob definierten Prozess im Sinne von Epics, die weiter verfeinert werden und in einzelne User Stories unterteilt werden. Die Umsetzung erfolgt in Sprints; die Stakeholder, insbesondere die Endnutzer, werden kontinuierlich einbezogen. Damit wird eine hohe Umsetzungsgeschwindigkeit erreicht, bei Lieferung von großen Nutzwerten.

Beispiel: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Zur Umsetzung einer organisationsweiten Digitalisierungsroadmap setzt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) auf den Einsatz moderner Lösungen. Prozesse sollen künftig im Sinne der täglichen Nutzer optimiert ­werden.

Das ausgeschriebene Ziel dabei ist, künftig flexibler auf Anpassungsbedarfe mit Hilfe einer Low-Code-Lösung reagieren zu können. In einem Baumanagementcockpit wird dafür derzeit eine anwendungsfreundliche, workflowbasierte Oberfläche als Digitalprodukt geschaffen. Dieses dient der Erledigung von Aufgaben rund um alle baulichen Maßnahmen, die die BImA begleitet. Im ersten Schritt wird Unterstützung bei der Durchführung einfacher Baumaßnahmen angestrebt. Aber auch komplexe Bauprojekte sollen künftig in dem neu geschaffenen Cockpit abgebildet werden.

Eine intuitive Nutzeroberfläche führt Anwender im Idealfall Schritt für Schritt durch den jeweiligen Prozess. Ein Fokus wird dabei auf der entsprechenden „User Experience“ liegen. So sollen den Anwendern zu jedem Bearbeitungsschritt notwendige Informationen wie beispielsweise Felderläuterungen, fachliche Regelungen und Vorgaben ohne Medienbruch angezeigt werden.

Das Baumanagementcockpit wird dafür die grafische Oberfläche abbilden und auf vorhandene Bausteine in der IT-Landschaft wie zum Beispiel ERP-Kernsysteme, Wissensmanagement-Datenbanken oder die elektronische Akte zurückgreifen. Das entsprechende Vorhaben ist in vier verschiedene Teilprodukte unterteilt, die die unterschiedlichen Prozesse innerhalb des Baumanagement-Cockpits abdecken.

Gestartet wird innerhalb eines Teilproduktes jeweils mit einem „Minimum Viable Product“, also die erste minimal funktionsfähige Version des geplanten Teilproduktes. Dieses wird fortan im agilen Vorgehen durch zweiwöchige Sprintphasen stetig weiterentwickelt. Nach bereits fünf Sprints ist die Entwicklungsphase beendet und das Teilprodukt kann produktiv genommen werden.

Durch die nicht beziehungsweise lediglich in geringem Maße notwendigen Programmierkenntnisse ist ein hohes Maß an Mitwirkung durch den Fachbereich möglich und auch explizit gewünscht. Auch dieser Aspekt ist Bestandteil der Zielsetzung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben: Befähigung der Fachbereiche, um fachliche Anforderungen künftig schneller und zielgenauer umsetzen zu können, als es in der Vergangenheit üblich und möglich war.

Neben der aktuellen Prozess­optimierung mittels Low Code ­werden Mitarbeiter aus den Fachbereichen zu sogenannten „Citizen Developern“ beziehungsweise Fachbereichsentwicklern ausgebildet. In einem ersten Schritt sind insbesondere IT-affine Mitarbeiter der Fachbereiche für diese Aufgabe prädestiniert; Programmierkenntnisse sind allerdings keine Voraussetzung. Perspektivisch sollen diese die IT-Anwendungen ihres jeweiligen Fachbereichs eigenständig anpassen bzw. im besten Fall kleinere Anwendungen eigenständig neu erstellen.

Der individuelle Gestaltungsfreiraum wird dabei durch die fachlich und technisch definierten Leitplanken seitens der Sparte IT im Sinne gemeinsamer Daten und Prozesse, wo möglich, eingehegt. Durch die gezielte Einbeziehung und Koordination dieser innerhalb der BImA neu geschaffenen Einheit sollen Anwendungsblaupausen abteilungs- & bereichsübergreifend genutzt werden, um weitere Skaleneffekte zu heben.

Fazit

Das Praxisbeispiel der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zeigt, dass Low-Code-Lösungen als Instrument für eine nachhaltige Produktivitätssteigerung auch im öffentlichen Sektor nicht mehr wegzudenken sind. Dank des Einsatzes dieser maßgeschneiderten Anwendungsentwicklung können durch vergleichsweise überschaubaren Aufwand Arbeitsabläufe beschleunigt und Fehlerquoten reduziert werden. Das Ergebnis ist eine nachhaltige Steigerung der Produktivität und eine höhere Resilienz der Organisation, um auf künftige Änderungen reagieren zu können.

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