Rezession und Inflation bringen auch den IT-Sektor ins Schwitzen. Gleichzeitig offenbaren Studien, dass die Investitionen in die Prozessautomatisierung weiter zunehmen. Das hat natürlich Einfluss auf die Entscheider in der Softwarebranche.

Dass die wirtschaftliche Lage sich in den vergangenen Monaten und Jahren stark verändert hat, geht natürlich nicht an den Unternehmen vorbei. Überall muss gespart werden. Mittel- bis langfristige Ziele in der digitalen Transformation stehen zudem Unsicherheiten auf dem Markt für Arbeitskräfte und Ressourcen gegenüber. Wie gehen Unternehmen damit um?

Das Ziel einer von Camunda beauftragten Studie zum Stand der Prozessorchestrierung in Unternehmen war herauszufinden, was für IT-Entscheider und -Entscheiderinnen bei der digitalen Transformation am wichtigsten ist. Ein Ergebnis der Befragung ist, dass die Investitionen in digitale Transformationsprojekte trotz Rezession und Inflation nicht zurückgingen. Das Gegenteil ist der Fall: Neun von zehn Unternehmen haben nicht nur bereits damit begonnen, ihre Geschäftsprozesse zu automatisieren, sondern planen, dieses Vorhaben noch weiter auszubauen.

Nicht auf Kosten des Kundenerlebnisses sparen

Ein Unternehmen, dessen Prozesse end-to-end automatisiert laufen, arbeitet nachweislich effizienter, bietet ein besseres Kundenerlebnis und kann schneller und flexibler auf Veränderungen reagieren. Ein anschauliches Beispiel ist das Bankenwesen. Wer ein Konto in einer herkömmlichen Bank eröffnen will, muss oft mehrere Tage warten. Neue, digitale Banken hingegen ermöglichen eine Kontoeröffnung in wenigen Minuten.

Wieso ist das so? Beide Banken setzen doch auf Automatisierung. Viele traditionelle Banken haben dabei in den letzten Jahren vor allem Dokumente digitalisiert und einzelne Aufgaben automatisiert, oft ohne übergreifende Strategie und vor allem ohne den End-to-End-Prozess in den Fokus zu nehmen. Ihre digitalen Konkurrenten dagegen haben den Prozess der Kontoeröffnung von Anfang bis Ende durchdacht und in seiner Gesamtheit sinnvoll automatisiert.

Obwohl also einzelne Aufgaben, wie die Bonitätsprüfung oder der Abgleich mit Sanktionslisten, in beiden Szenarien automatisiert sind, so sind es bei der traditionellen Bank meist isolierte Insellösungen, die nicht miteinander verbunden sind. Dadurch kommt es zu fehlerhaften oder unterbrochenen Prozessen, was natürlich Einfluss auf die Durchlaufzeit hat. Außerdem werden in Prozessen traditioneller Banken öfter Menschen involviert, was zu zusätzlichen Verzögerungen führt.

Abläufe von Anfang bis Ende planen

Dabei ist eine Kontoeröffnung tatsächlich komplexer, als sie auf den ersten Blick erscheint. Manche Aufgaben können parallel ablaufen, um die Durchlaufzeit zu verkürzen, andere können aber erst dann angestoßen werden, wenn die vorherige abgeschlossen ist. Auch muss der Gesamtprozess mit Ausnahmen umgehen können, wie beispielsweise Abbrüche oder nachträgliche Änderungen. Die Kunst ist es also, End-to-End-Prozesse so abzubilden, dass die einzelnen Aufgaben nahtlos ineinander greifen. Gelingt dies, kann eine Bank das heute geforderte Kundenerlebnis bieten und ein Konto auch in Minuten online eröffnen – vermutlich sogar weitestgehend ohne menschliches Eingreifen.

Doch nicht nur deshalb sollten sich traditionelle Banken vornehmen, den Prozess zur Kontoeröffnung end-to-end zu automatisieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass Mitarbeitende, die vorher vielleicht noch manuell Kundenadressen von einem System in ein anderes übertragen mussten, dann mehr Zeit haben, sich auf das Bearbeiten von individuellen Kundenanliegen zu konzentrieren. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es hilfreich, wenn sich Mitarbeitende auf Aufgaben konzentrieren können, die nicht so einfach automatisiert werden können.

Orchestrierung: Kein Selbstläufer, aber den Aufwand wert

Doch wie gelingt es, einen Prozess vom Anfang bis zum Ende zu automatisieren? Ein wichtiger Baustein ist die Prozessorchestrierung, also die automatisierte Koordination der einzelnen Aufgaben über eine spezielle Software. Diese kann beliebige Endpunkte integrieren, also beispielsweise bestehende Systeme wie Microservices oder RPA Bots, Devices, aber natürlich auch Aufgaben, die von Menschen ausgeführt werden.

Prozessorchestrierung einzuführen ist allerdings anspruchsvoll und erfordert natürlich Zeit und Budget. Idealerweise wird dies auch nicht als einmaliges Großprojekt gesehen, sondern als kontinuierlicher Vorgang verstanden, in dem Schritt für Schritt einzelne Prozesse orchestriert und dann kontinuierlich verbessert werden.

So werden in einer ersten Version der Orchestrierung vielleicht immer noch Daten von Hand kopiert, aber das Orchestrierungs-Tool koordiniert diese Aufgabe bereits, sodass nichts liegen bleibt und der grundsätzliche Ablauf validiert werden kann. Auf dieser Grundlage kann dann sehr einfach auch ein RPA Bot angesteuert werden, der monotone Aufgaben übernimmt. Und später kann der Bot durch echte Schnittstellenaufrufe ersetzt werden, die deutlich stabiler und wartungsärmer funktionieren. So gelangt man Schritt für Schritt zu mehr Geschwindigkeit und Prozess-Effizienz.

Dabei ist trotz allem wichtig, dass man nicht nur die herkömmlichen Abläufe stupide automatisiert, sondern eine „wirkliche“ digitale Transformation zulässt. Dabei sollten Prozessabläufe grundlegend hinterfragt werden, um zu sehen, ob man sich tatsächlich der vielen großartigen Möglichkeiten der Digitalisierung bedient.

Anstatt also Eröffnungsanträge den Mitarbeitern zwar elektronisch zur Entscheidung vorzulegen, könnte eine Bank besser gleich darüber nachdenken, künstliche Intelligenz einzusetzen, um zum Beispiel über Kreditlinien zu entscheiden. Dies kann dann auch bereits online beim Einreichen des Antrages geschehen, so dass direkt mit dem Kunden interagiert werden kann und nervenaufreibende Nachfragen erspart bleiben.

Ein sinnvolles Redesign erlaubt nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern bringt erhöhte Effizienz mit sich. Eine höhere Effizient durch Automatisierung bestätigen auch 95 Prozent der Befragten IT-Verantwortlichen in der Camunda-Studie.

Drei Schritte zur kontinuierlichen Prozessorchestrierung

Um einen Prozess zu orchestrieren, muss zuerst mit allen Stakeholdern geklärt werden, wie er eigentlich abläuft. Der erste Schritt ist daher die visuelle Modellierung in einer Standardsprache wie Business Process Model and Notation (BPMN) oder Decision Model and Notation (DMN). Der Prozess wird dabei von Anfang bis Ende aufgezeichnet, mit klar sichtbaren Abhängigkeiten und Wartezeiten, den unterschiedlichen Endpunkten sowie außerplanmäßigen Abbruchszenarien. Das erfordert Teamwork: Alle beteiligten Fachabteilungen sowie die Mitarbeitenden in der Entwicklung müssen sich hierfür zusammensetzen und absprechen. Schon allein dieser abteilungsübergreifende Schritt hilft vielen Unternehmen, ihre Prozesse besser zu verstehen, mögliche Schattenprozesse festzuhalten und besser zusammenzuarbeiten.

Der nächste Schritt ist die eigentliche Automatisierung. Eine Workflow Engine kann BPMN Modelle direkt ausführen und die Koordination der darin modellierten Aufgaben übernehmen. Dabei können auch komplexe Workflow Muster wie die parallele Ausführung von Aufgaben oder das flexible Reagieren auf Ereignisse verwendet werden. Endpunkte werden zum Beispiel mithilfe von Konnektoren direkt aufgerufen. Bei der Automatisierung sammelt die Workflow Engine zudem viele Audit-Daten zu den Prozessinstanzen.

Diese Daten spielen eine Rolle im dritten Schritt: Der Optimierung. Denn mit dem ersten Automatisierungsprojekt ist es nicht getan – ein orchestrierter Prozess bietet die ideale Grundlage, um kontinuierlich verbessert zu werden. Tools wie Heatmaps stellen visuell dar, wo sich Bottlenecks in den Abläufen bilden und helfen, den Prozess zu verbessern. Auch auf neue Anforderungen kann hier reagiert werden – der Einsatz eines neuen Microservices für eine Aufgabe zum Beispiel, oder die Freigabe durch einen zusätzlichen Stakeholder.

Gut automatisiert ist gut investiert

Bedeutet eine schwierige Wirtschaftslage zwangsläufig das Sparen an allen Ecken und Enden? Nein – das Budget muss viel mehr smart investiert werden. Die Orchestrierung von Geschäftsprozessen mag zwar Aufwand verursachen, doch die Verbesserungen in Sachen Kundenerlebnis und Effizienz helfen umso besser dabei, wettbewerbsfähig zu bleiben. Außerdem bieten so orchestrierte Prozesse den perfekten Ansatzpunkt für kontinuierliche Verbesserung.

Je komplexer ein Prozess ist, desto aufwendiger ist zwar seine Modellierung, Automatisierung und Verbesserung; aber umso mehr lohnt sich schlussendlich die Mühe. Eine cloud-native Orchestrierungslösung kann ein Unternehmen hierbei stark unterstützen, da die Kosten für eine eigene Infrastruktur wegfallen und sie besser skalieren als On-Premises-Systeme.

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