“Manage ich wirklich Qualität?” fragte ein langjähriger Qualitätsmanager, denn aus unserer Sicht ist Qualität ein Ergebnis von unseren Tätigkeiten, wozu jeder seinen Beitrag leistet. Eine Abteilung mit Begriff „QM“ erweckt diesen Eindruck und führt dazu, dass keiner Verantwortung für Qualität übernehmen möchte, denn “wir haben ja Jemanden dafür eingestellt”.

Geboren in Kenia, Jahr 1975, kam Susan Omondi vor 22 Jahren nach Deutschland um zu studieren. Seit mehr als 10 Jahre begleitet sie nun erfolgreich Unternehmen in den Bereichen Prozess- und Qualitätsmanagement, Zertifizierungs- und Akkreditierungsprojekte sowie IT-Projekte für mehr Transparenz, Effektivität und Effizienz. Sie ist überzeugt, dass das Potential von Qualitätsmethoden und – Ansätzen noch nicht ausgeschöpft ist.

DER PROZESSMANAGER: Frau Omondi, Sie sind nun schon seit 2006 im Thema der Qualitätsmanagement und Prozessoptimierung unterwegs. Eine ganz schön lange Zeit. Was macht Ihnen am meisten Spaß im Alltag? Woraus ziehen Sie ihre Energie?

Susan Omondi: Ich finde es spannend, die Prozesse zu durchleuchten und mit meinen Kunden zu optimieren. Als QM und PM kennt man den Betrieb wie keiner sonst. So bleibt meine Arbeit sehr abwechslungsreich und herausfordernd.

Meine Energie ziehe ich daraus, dass ich gerne etwas bewege; dass ich proaktiv an etwas ran gehen möchte und mit Leuten, die ebenfalls etwas bewegen oder bereit sind von meiner Art angesteckt zu werden, etwas voranzubringen und Ergebnisse erziele.

Was mir Spaß macht: dass ich Erfolge erziele und Verantwortung übernehme. Gerade in diesem Gebiet kann man noch viel bewegen. Solche Rückmeldungen wie “endlich verstehen wir unsere Prozesse”; “Mit Ihnen machen sogar Audits und Qualitätsthemen Spaß” oder auch “So ein trockenes Thema aber wunderbar rübergebracht” ehren mich sehr und lassen mich mit Freude weitermachen.

DER PROZESSMANAGER: Im Zusammenhang der digitalen Transformation von Geschäftsmodellen steht auch die “Abschaffung” des Silodenkens. Wie betrifft das auch das QM bzw. Prozessmanagement?

Susan Omondi: Abschaffung von Silodenken ist eine Chance, mit oder ohne digitale Transformation. Aber gerade, weil Tools uns das immer mehr ermöglichen, gibt es noch weniger Gründe, QM als Abteilung aufrechtzuerhalten. ERP- oder CRM-Tools etc. bieten seit Langen die Chance, das Ganze zu vereinfachen. Wir müssen keine Prozesse kompliziert modellieren, wenn diese bereits unterstützt bzw. automatisiert sind.

Wichtig ist hier anzumerken, dass es DENKEN ist. Wir müssen nur bereit sein uns zu verändern, dann kriegen wir das hin. Denn selbst ARISTOTLES hat das bereits gewusst: “Quality is not an act, it is a habit”.

Solange wir QM als Abteilung sehen, sehen wir in QM nur Kosten, und keine Investition. Wenn ich höre “Wir haben ja eine Person, die uns die Auditoren vom Hals schafft” dann haben wir den Sinn von Managementsystemen nicht verstanden. Genau weil wir noch so denken, verursachen wir Kosten, darunter auch versteckte Kosten.

Qualität gilt für jeden und jeder ist verantwortlich für Qualität. Wenn Qualität die Erfüllung von Anforderungen ist, und Anforderungen durch Kunden (extern oder intern) definiert werden, ist es doch logisch, dass jeder dafür verantwortlich ist. Mein Artikel (“Managen wir noch Qualität oder das ganze Unternehmen? Stell dir vor, es gibt keine QM Abteilung mehr?”) vom 2.10. auf Linkedin gilt somit immer noch.

Ich gehe bewusst hier nicht auf digitale Transformation ein, denn meiner Meinung nach müssen wir zuerst an der Basis arbeiten. Immer Effektivität vor Effizienz. Die Grundlagen für eine gelungene digitale Transformation müssen erst geschaffen werden. Eine veraltete Prozessbeschreibung zu digitalisieren ist wie den Prozess “Aderlass” zu optimieren.

Schließlich ist jedes System nur so gut, wie dessen Anwender.

Grafik: The most dangerous phrase

DER PROZESSMANAGER: Wenn man den deutschen Mittelstand betrachtet, sieht man immer noch gegenläufiges Vorgehen. Es scheint fast so, als würde QM bzw. PM stiefmütterlich behandelt werden. Welche konkreten Vorteile ergeben sich daraus für die Unternehmen?

Susan Omondi: Es gibt keine Vorteile für stiefmütterliches Behandeln, und die gab es nie. „Man hat es einfach immer so gemacht“. Es ist leider so, dass es nicht mal ein Null-Summen-Spiel ist; es verursacht lediglich Kosten. Höchstens, dass ein QM-ler einen Job hat, aber von einem besseren Einsatz kann man profitieren.

Für fachliche Kenntnisse, Normenkenntnisse und Qualitätssicherungsmaßnahmen lohnt es sich, Experten zu haben. Je nach Kontext und Anforderungen gilt es die Aufgabe oder den Auftrag zu überprüfen. Dieser Ansatz ersetzt aber nicht das Qualitätsdenken von allen. Der Experte prüft z.B. ob Prüfmittel korrekt überwacht sind, ob Normen eingehalten sind. Das ist aber ein bewusster Einsatz für Qualitäsbewussstein. Etwas stiefmütterlich zu behandeln hatte noch nie Vorteile, also kann man es auch lassen. Ich würde auf jeden Fall die Abteilung umbenennen. Sonst sagen immer noch die meistens „Warum ich, dafür haben wir ja QM-ler?“.

Qualitätsziele sind Unternehmensziele. Qualitätsrisiken und Chancen sind Unternehmenschancen und Risiken. Management-Review ist ein Unternehmenstool, nicht das von ISO 9001 und Auditoren. Es gibt keinen Grund diese getrennt zu halten.

Agil sein ist nichts anderes als dynamisch zu bleiben. Im Sinne von kontinuierlicher Verbesserung sollen wir einfach unser Handeln reflektieren und hinterfragen. Es ist nichts anderes als Plan Do Check Act (PDCA) und nichts anderes als Interaktionen mit Stakeholdern mit dem Ziel, Kundenanforderungen besser zu verstehen, schneller auf Veränderungen zu reagieren und Zufriedenheit von allen Stakeholdern zu gewährleisten. Denn das ist die Mission von PM.

DER PROZESSMANAGER: Wo sehen Sie die Herausforderung bei der Umstellung auf diese Art QM zu leben? Evtl. gerade im Mittelstand…

Susan Omondi: Es gibt hier nur eine Herausforderung: der fehlende Wille. Ich sehe weder wirtschaftliches Risiko, noch das fehlende Engagement als Risiko.

Irgendwo muss man starten. Wenn ein CEO sagt, ich will es, und alle anderen werden motiviert ihm zu folgen, wird es funktionieren. Wenn man bereit ist für diese Veränderung, schafft man auch schnell die Vorteile daraus zu erkennen und Mehrwert daraus zu holen. Von Zertifizierungs- und Akkreditierungsnormen her ist nicht verlangt, dass man QM als Abteilung aufrechterhalten soll. Wir stehen uns selbst im Weg.

Nur Mut zur Lücke. Es gibt nicht zu verlieren.

DER PROZESSMANAGER: Wenn man Sie aktiv auf LinkedIn verfolgt, wird eines schnell klar: Ihnen ist es wichtig die Rolle des Menschen im unternehmerischen Kontext nicht zu vernachlässigen. Wie wichtig ist der Mensch im Kontext der aufkommenden Trends z.B. Robotic Process Automation?

Susan Omondi: Danke, dass Sie mir auf Linkedin aufmerksam „zuhören“.

Robotic Process Automation (RPA) gibt es seit Jahrzehnten in der Industrie, es wird nur intelligenter. Dennoch bleibt der Mensch im Mittelpunkt.

Mir ist wichtig, dass richtige Leute für die richtigen Aufgaben ins Boot geholt werden. Diese Menschen erkennen die Chancen mit RPA und KI, oder eine Kombination davon, und setzen diese sinnvoll ein. Wir folgen keiner Technologie blind, sondern arbeiten erstmal an Effektivität (richtige Dinge tun) und dann an der Effizienz (Dinge richtig tun).

Wir brauchen eindeutig beides: Menschen und Maschinen. Aus meiner Sicht ist es jetzt schon sehr selbstverständlich eine Kombination aus RPA und KI einzusetzen. Die technologischen Fortschritte begeistern uns. Für alle stupide Arbeit und von Menschen risikohaft auszuführende Tätigkeiten setzen wir bereits RPA ein.

Wenn eine Maschine oder KI etwas besser machen kann, sollten wir diese einsetzen, damit wir Menschen komplexere Aufgaben wahrnehmen können. Das vereinfacht die Prozesse: Wissen teilen ist keine Herausforderung mehr, Systeme werden einfacher zu pflegen, Kollaboration mit Stakeholder ist besser.

Es bleibt noch genug zu tun für uns Menschen. Eins davon ist QM als Abteilung abzuschaffen:-) Dabei müssen wir “das Problem” anders betrachten und die Möglichkeiten mit KI und Robotics ausnutzen. Denn wie Steven Covey sagt “Unsere Art, die Probleme zu sehen, ist das Problem. Wann immer wir glauben, das Problem sei da draußen, ist dieser Gedanke das Problem”

DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank, Frau Omondi!

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