Die Mehrheit der befragten IT-Entscheidungsträger in unserer Studie „Stand der Prozessautomatisierung” gab an, dass die Automatisierung von Prozessen in ihren Unternehmen immer wichtiger wird. Nahezu neun von zehn (88 %) sagten, dass ihre Organisation plane, die Investitionen in Prozessautomatisierung in den nächsten zwei Jahren zu erhöhen, wobei 46 Prozent sogar eine erhebliche Erhöhung planen. Zudem bezeichneten über neun von zehn (92 %) Prozessautomatisierung als „wesentlichen Faktor“ der digitalen Transformation. Damit diese gelingen kann, müssen Unternehmen ihre Prozesse zunächst genau unter die Lupe nehmen und modellieren.

BPMN: Universalsprache für Prozesse

„Business Process Model and Notation“ (BPMN 2.0) eignet sich besonders, um Prozesse jeder Art zu modellieren. Der Grund: Bei BPMN handelt es sich um eine visuelle Sprache, die das, was passiert, in Diagrammen darstellt und nicht in Quellcode. Sie ist deshalb einfach verständlich – sowohl für Mitarbeiter aus der Fachabteilung, als auch für die Experten in der IT. Entscheidend dabei ist, dass der Prozess vollständig dokumentiert wird (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Von hungrig zu satt in drei Schritten. Quelle: Camunda.

Bereits dieses kleine Beispiel aus dem Alltag zeigt, wie mächtig BPMN-Diagramme sind. Sie zeigen anhand dreier Ereignisse – hungrig, Essen fertig, satt – und dreier Aufgaben – einkaufen, kochen, essen – was wann geschehen muss, damit ein Vorgang abschließend bearbeitet wird. Selbstverständlich nutzen Unternehmen BPMN, um wesentlich komplexere Abläufe abzubilden. BPMN enthält alles Nötige, um Entscheidungen, Bedingungen oder parallel laufende Stränge zu modellieren und so das gesamte Geschäft zu visualisieren. BPMN-Modellierungshilfen wie der Camunda Web Modeler bieten dafür eine eigene grafische Oberfläche. Wer einen Prozess modelliert, muss also nicht selbst programmieren können, sondern nur ein wenig Fachwissen mitbringen, das sich leicht aneignen lässt (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: BPMN-Modellierungstool mit grafischer Oberfläche. Quelle: Camunda.

In BPMN modellierte Prozesse erlauben auf einen Blick zu erkennen, was wie im Unternehmen passiert und wo sich Abläufe verbessern lassen. Das ist ein wichtiger Zwischenschritt, bevor Prozesse digitalisiert und automatisiert werden. Darüber hinaus halten BPMN-Diagramme auch fest, welche Software, Infrastruktur oder allgemeinen Ressourcen benötigt werden, um einen Prozess abzuschließen. Anders ausgedrückt: Unternehmen erfahren so, wie und wo ein eventuell abzulösendes Legacy-System genutzt wird – und ersparen sich so womöglich ein böses Erwachen. BPMN erfüllt zudem die vier wichtigsten Kriterien, damit es als gemeinsame Sprache universell eingesetzt werden kann:

  1. Standard: BPMN gehört keinem kommerziellen Unternehmen, sondern einer unabhängigen Organisation (OMG). Viele Software-Produkte nutzen diesen Standard bereits.
  2. Simplicity: BPMN-Modelle folgen einfach zu erlernenden Grundsätzen, die jeder versteht, ohne sich im Detail auskennen zu müssen. Das erleichtert die BPMN-Einführung.
  3. Power: BPMN-Modelle lassen sich nahezu beliebig präzise erstellen. Wie genau Prozesse abgebildet werden sollen, kann jedes Unternehmen für sich entscheiden.
  4. Implementation: BPMN hilft dabei, Prozesse technisch umzusetzen. Inzwischen existieren aber auch Process Engines, die BPMN ausführen können. Damit wäre die zweite Stufe der Digitalisierung erreicht: Prozesse tatsächlich zu automatisieren.

Jeden Prozess überall automatisieren

Automatisierte Prozesse setzen modellierte Prozesse voraus. Das BPMN-Prozessmodell deckt aber auch auf, woran die digitale Transformation scheitert. Meist sind das die verwendeten IT-Systeme, die Infrastruktur oder gar das Unternehmen selbst. Beispielsweise erzwingen veraltete, teure und darum nur schwer zu ersetzende Systeme ein bestimmtes Vorgehen, das nicht zuletzt wegen der in BPMN modellierten Prozesse als ineffizient identifiziert worden ist. Innovativ und modern zu sein, scheitert in solchen Fällen daran, dass sich die Prozesse nach der eingesetzten Technik richten und nicht umgekehrt.

Ähnlich verhält es sich mit der Infrastruktur, die einer umfassenden Automatisierung oft im Wege steht. Schuld daran sind nicht selten isolierte IT-Systeme, die auf moderner Infrastruktur wie der Cloud nicht lauffähig sind, oder solche, die als monolithisches Großsystem konzipiert sind und sich nur dadurch skalieren lassen, indem ein weiterer Server aufgestellt wird. Schließlich erschweren womöglich auch innerbetriebliche Übungen („Legacy-Geschäftspraktiken“) den Sprung auf die nächste Stufe der Digitalisierung, weil Unternehmen die gewünschten Prozesse aufgrund dessen nicht implementieren können und auf halbem Wege stecken bleiben.

Unternehmen müssen sich diesen Aufgaben stellen, wenn sie ihr Geschäft digitalisieren wollen. Die Prozessmodellierung mit BPMN ist der richtige Weg, um konkret zu ermitteln, wie sich Systeme, Infrastruktur und auch der Betrieb selbst verändern müssen, damit die Digitalisierung gelingt. Zudem wird den Business- und IT-Teams die Zusammenarbeit erleichtert, weil sie sich gegenseitig besser verstehen, wenn sie anstelle von fachspezifischen Ausdrücken BPMN nutzen. Das Ziel: jeden Prozess überall zu automatisieren. Dafür kommt es neben den sauber modellierten Prozessen jedoch auf drei weitere Kriterien an:

  1. End-to-End-Orchestrierung: Alle Komponenten eines Prozesses werden vom Design über die Automatisierung bis hin zur Optimierung umfassend orchestriert: bei einem Online-Shop beispielsweise von der Warenbestellung über die Zahlungsabwicklung bis hin zur Übergabe des Pakets an den Paketdienst.
  2. Offene Architektur: Wenn sich das Unternehmen dafür entscheidet, in BPMN modellierte Prozesse von einer Process Engine automatisch ausführen zu lassen, kommt es auf eine möglichst offene, skalierbare Plattform an, die mit allen gängigen technischen Architekturen und Frameworks harmoniert und idealerweise auch cloud-fähig ist.
  3. Entwicklerfreundlicher Ansatz: BPMN erleichtert zwar die Zusammenarbeit zwischen IT und Business, ersetzt aber das Programmieren nicht. Damit die Entwickler im Unternehmen das Rad nicht neu erfinden müssen, lohnt es sich, auf eine entwicklerfreundliche Plattform mit offenen APIs, umfangreichen Bibliotheken und einer großen Community zu setzen.

Fazit

Aller Anfang ist schwer. Wer die ersten Schritte hin zur Digitalisierung macht und seine Prozesse mit BPMN dokumentiert, macht aber schon einmal nichts falsch. BPMN-Modelle zeigen transparent auf, wie das eigene Unternehmen tickt. Sie sind die Basis für eine Digitalisierungsstrategie, die auch gelingen kann. Erst modellieren, dann digitalisieren. Da heute bereits Process Engines existieren, die BPMN ausführen können, zahlt sich der für die Prozessmodellierung zusätzlich benötigte Aufwand sehr schnell aus.

Mehr dazu, wie sich Prozesse modellieren, analysieren und optimieren lassen, erfahren Sie auf der Workflow Analytica vom 5.-6. Mai 2022 in Berlin. Falko Menge wird in seinem Vortrag OMG’s BPM+: Industriestandards zur Automatisierung von Prozessen und Entscheidungen” am ersten Tag der Konferenz einen Überblick über aktuelle und zukünftige Industriestandards für Geschäftsprozesse und -entscheidungen und den Stand der Unterstützung durch Softwarewerkzeuge für Modellierung und Automatisierung geben. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der WorkflowAnalytica

Zur Person:

Falko Menge ist Principal Solution Architect und Open Standards Ambassador bei Camunda. Seit über 12 Jahren betreut er dort Projekte und sichert ihren Erfolg.

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