Mittlerweile sind rund 25 Process-Mining-Anbieter auf dem Markt – die Mehrheit davon sind europäische Unternehmen mit europäischen Kunden. Wie lässt sich dieser Fokus noch über zehn Jahre nach der Marktentstehung erklären? Schließlich haben nicht nur europäische Unternehmen komplexe, intransparente Prozesse und einen zunehmenden Effizienzdruck. Wirft man allerdings einen Blick auf wirtschaftsstarke Nationen wie die USA, China oder Japan, dann ist Process Mining nicht unbedingt eine Frage des Bedarfs, sondern der Rahmenbedingungen.

Process Mining in der Praxis – Wie viel externe Unterstützung ist nötig?

Ein initial entscheidender Faktor für die Vermarktung von Process Mining ist der Standort der Anbieter. Unternehmen fokussieren sich oftmals zunächst auf den nationalen Markt. Diese Entscheidung lässt sich unter anderem auf Eintrittsbarrieren, Marktinformationen, Kultur oder die Kommunikation zurückführen. Bei der Implementierung ist außerdem die Distanz zum Kunden – also dem Unternehmen – entscheidend. Während Unternehmen zunehmend in Ressourcen und Personal für Themen wie Datenwissenschaft, Prozessmanagement und IT-gestützte Prozesslösungen investieren, ist die Implementierung und kontinuierliche Anwendung von Process Mining an bestimmte Kapazitäten gebunden. Insbesondere in der Anfangsphase waren viele Unternehmen auf die Unterstützung der Anbieter angewiesen. Daher ist die Implementierung bei geografisch nahen Kunden hinsichtlich vor-Ort-Support und Kommunikation effizienter.

Basierend auf der Marketing- und Sales-Strategie der Anbieter, ausgerichtet auf den europäischen Markt, zählten damit hauptsächliche europäische Unternehmen zu den frühen Anwendern. Besonders der deutsche Process-Mining-Markt zählt mit aktuell 6 Anbietern zu den größeren Märkten. Die System- und Prozesserfahrung bei Kunden hilft Anbietern außerdem dabei, die Durchführung ähnlicher Projekte effizienter zu gestalten, wodurch für Anbieter und Anwender dieser System- und Prozessstrukturen die Zusammenarbeit attraktiver gestaltet wird. Diese Strukturen sowie bestimmte Prozessthemen sind auf nationaler Ebene tendenziell ähnlicher als auf internationaler Ebene.

Der Blick über den Tellerrand

Aber was hält Unternehmen davon ab, den (physischen) Markteintritt in Ländern mit hohem Marktpotential zu wagen?

Wirft man einen Blick auf die Länder außerhalb der europäischen Union, dann sind insbesondere wirtschaftsstarke Nationen wie die Vereinigten Staaten, Japan und China vielversprechende Märkte. Das ist in einem B2B-Markt, wo die Mehrheit der Kunden größere Konzerne sind, nicht überraschend. Allerdings ist Wirtschaftskraft nur ein Teil der Marktattraktivität. Für die Anwendung von Process Mining müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben ein, denn die Attraktivität wird nicht nur von marktwirtschaftlichen, sondern auch von rechtlichen und technologischen Faktoren bedingt. Dies auf Länderebene zu vergleichen ist nicht unbedingt einfach.

Allerdings gibt es neue Studien, die hierzu wertvolle Informationen liefern. Die IMD Studie “World Digital Competitiveness (WDC)” vergleicht die Fähigkeit der Länder, neue Technologie zu entwickeln und zu übernehmen und analysiert dazu die Bereiche Wissen, Technologie und Zukunftssicherheit. Process Mining wird zunehmend Cloud-basiert angewandt, daher ist die Studie “BSA Cloud Computing Scorecard” von 2018 ebenfalls relevant. In dieser Studie werden 24 globale Schlüsselländer anhand ihrer politischen Rahmenbedingungen – beispielsweise bezüglich Datenschutz, Sicherheit oder IT-Bereitschaft – für das Cloud Computing bewertet. Neben technologischen und politischen Faktoren, sind auch Länder mit einem hohen Automatisierungspotential interessant, da Process Mining oftmals zur Prozessautomatisierung eingesetzt wird, von Identifizierung bis zur Realisierung von Automatisierungspotential. Beispiel Japan: Die Tätigkeit von 56 Prozent der Beschäftigten kann potentiell automatisiert werden. Damit ist Japan mit attraktiven wirtschaftlichen und politischen Voraussetzung ein potentiell interessanter Markt.

Politische Rahmenbedingungen: China vs. USA

China hingegen hat als zweitgrößte Wirtschaftsnation zwar potentiell viele Process-Mining-Anwender, allerdings sind aktuell die technologischen und politischen Rahmenbedingungen noch problematisch. In der IMD Studie zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit erzielt China weltweit nur Platz 31 und hat damit eine rund 25 Prozent schlechtere Bewertung als die USA mit der Höchstbewertung. Bei der BSA Cloud Computing Scorecard erzielte China ebenfalls kritische Resultate, insbesondere in den Bereichen Datenschutz und Förderung des Freihandels. Beispielsweise werden Cloud-Computing-Anbieter gesetzlich einerseits bei der Datenlokalisierung eingeschränkt und haben andererseits keinen Schutz zur Gewährleistung der Technologieneutralität oder der diskriminierungsfreien Beschaffung von Cloud-Dienstleistungen.

Die Vereinigten Staaten zeigen nach den aktuellen Studien das größte Potential. Die USA hat die höchste Wirtschaftsleistung, den größten technologischen Fortschritt, das notwendige Wissen, die Zukunftsbereitschaft für die digitale Transformation und die Rahmenbedingungen, die für Cloud-Computing-Anbieter vorteilhaft sind. Neben den genannten Ländern haben Kanada und Australien außerhalb der europäischen Union ebenfalls attraktive Voraussetzungen für die Vermarktung von Process-Mining-Lösungen.

Fazit

Process Mining ist eine sehr spezifische und auf den ersten Blick komplizierte Methode, weshalb die Vermarktung sehr ressourcenaufwändig ist. Dementsprechend planen viele Anbieter aus kapazitären und strategischen Gründen – wenn überhaupt – einen relativ späten internationalen Markteintritt. Auf der anderen Seite sind für Process Mining bestimmte politische und technologische Rahmenbedingungen notwendig, die nicht unbedingt in wirtschaftsstarken Ländern wie beispielsweise China gegeben sind. Daher sind für Anbieter solche Märkte trotz spannender Zielgruppe aktuell noch nicht interessant. In Ländern hingegen mit hohem Potential und passenden Rahmenbedingungen wie den USA, Australien oder Kanada ist in den letzten Jahren ein deutlicher Wachstumstrend zu beobachten.

Damit haben auch zunehmend Regionen außerhalb der Europäischen Union großes Marktpotential. Denn Unternehmen weltweit sind schon lange über die Frage nach dem “Warum” hinweg und beschäftigen sich mit dem “Wie”. Unternehmen setzen Process Mining für verschiedenste Transformationsprojekte ein: von der Optimierung und Automatisierung ihrer Prozessen bis hin zu Systemmigrationen. Process Mining ist zu einer Frage der Ressourcen und Rahmenbedingung geworden, der sich Anwender wie auch Anbieter stellen müssen. Lana Labs bietet mit einem internationalen Partnernetzwerk die Lösung für spezifisches Know-how und Ressourcen: Prozess- und Datenexperten weltweit unterstützen Unternehmen bei der Implementierung, bei Process-Mining-Analysen bis hin zu gesamten Transformationsprojekten.

Zur Autorin

Shirin Dagher ist Junior Performance Managerin bei Lana Labs GmbH. Ihre Expertise bringt sie in regelmäßigen Abständen im Unternehmensblog des Process Mining Startups ein.

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