DER PROZESSMANAGER: Herr Penner! Toll, dass es klappt. In Ihrer Tätigkeit als Geschäftsführender Gesellschafter der COLCO Prozessberatung GbR und mit mehr als 7 Jahren Erfahrung im Bereich des Prozessmanagements, sind Prozesse vermutlich in “Fleisch und Blut” übergegangen. Welche 3 Hilfsmittel nutzen Sie täglich, um den eigenen Ablauf zu verbessern?
Roland Penner: Sehr gerne! Prozesse und Projekte sind in der Tat die Arbeitsformen, die Wirtschaft und Leben voranbringen. Das Motto muss sein: Prozesse gestalten, um Bekanntes effizient zu machen – Projekte meistern, um Unbekanntes nutzbar zu machen.
Für mich sind an jedem Tag entscheidend: Mein persönliches, handschriftliches Kanban-Board, ganz klassisch mein Outlook-Kalender und der Planner von Microsoft 365, durch den ich einen sehr guten Überblick über meine Projekte halte.
DER PROZESSMANAGER: Sehr schön. Sprechen wir über Ihr Steckenpferd: Geschäftsprozesse im industriellen Umfeld. Industrie 4.0 quasi. Der deutsche Mittelstand hinkt beim Thema Industrie 4.0 nach Ansicht vieler Experten noch der Umsetzung hinterher. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Roland Penner: Im Mittelstand geht es immer um den konkreten, unmittelbaren und nachvollziehbaren Nutzen. Das Thema Industrie 4.0 wird leider zu häufig als Selbstzweck behandelt. Dies schreckt mittelständische Unternehmen – manchmal auch zu Recht – von Industrie 4.0-Implementierungen ab. Wer braucht schon ein tolles Dashboard oder Echtzeitdaten ohne einen wirtschaftlichen Benefit? Im Allgemeinen sind Unternehmen im deutschen Mittelstand häufig weiter als man meint, nur gibt es nicht das Bedürfnis, es zwingend als große Industrie 4.0-Errungenschaft zu bezeichnen.
Dort wo es Aufholbedarf gibt, sind häufig Initiativen und Ideen schon in der Vergangenheit gescheitert. Und dies wiederum liegt meiner Meinung nach häufig an unzureichenden Prozessen. Insgesamt erleben wir bei COLCO den deutschen Mittelstand beim Thema Industrie 4.0 als vorausschauend und sind darauf bedacht, dass begrenzte Ressourcen zukunftssichernd eingesetzt werden.
DER PROZESSMANAGER: Warum ist genau hierfür eine definierte Prozesslandschaft für Industrieunternehmen unerlässlich?
Roland Penner: Zunächst einmal muss man verstehen: Wenn ich einen schlechten Prozess digitalisiere, habe ich eine schlechte Digitalisierung. Ich kann nur gut digitalisieren, wenn ich meine Prozesse klar und gut definiert habe.
Das Angebot von Anwendungen im Industrie 4.0-Kontext ist riesig, eine Auswahl ist aufwändig und die Kompatibilität mit vorhandenen und alternativen Systemen ist leider häufig eingeschränkt (Stichwort ‚Plug and Play‘). Daher müssen die Prozesse eines Unternehmens die Anforderungen an Digitalisierungsinitiativen stellen. So können die Herausforderungen zielgerichtet gemeistert werden.
DER PROZESSMANAGER: Und jetzt einmal Hand aufs Herz – Was sind die 3 größten Herausforderungen, die Ihnen in den Projekten immer wieder begegnen?
Roland Penner: Wir haben in der Fläche ein zu gering ausgeprägtes prozessuales Denken. Es wird zu häufig in Funktionen gedacht und gearbeitet. Dies führt zu einem hohen Initialaufwand bei der Einführung von Prozessen und deren Optimierung. Dabei erlebt doch jeder privat den Vorteil guter Prozesse – z.B. beim Online Shopping. Prozesse werden – gerade im Mittelstand – leider immer wieder als Einschränkung und als wenig flexibel empfunden, weil manuell weniger eingegriffen und übersteuert werden kann.
Dann ist da noch die menschliche Gewohnheit. Gegenüber Veränderungen gibt es gerade auf der operativen Ebene das, was ich als „natürlichen Widerstand“ bezeichne. Menschen, die eine Aufgabe über Jahre hinweg auf eine bestimmte Art und Weise bewerkstelligen, tun sich einfach schwer damit, diese anders umzusetzen. Ein tolles neues Konzept ist nur dann zielführend, wenn es im operativen Umfeld gelebt wird. Dafür muss es nicht nur verstanden sein, sondern es muss sich darüber hinaus auch Überzeugung eingestellt haben. Die Überzeugung von neuen Prozessen und Konzepten ist für mich im Projektalltag daher mindestens so wichtig wie die Entwicklung dieser. Der Erfolg eines Prozessberaters liegt im Mittelstand in der Überzeugung der Prozessanwender.
Eine weitere große Herausforderung ist es, neue Prozesse nachhaltig beizubehalten. Für mich als Berater ist ein Projekt selbstverständlich irgendwann vorbei. Danach sollte ein Prozess nicht nur beibehalten werden, sondern auch kontinuierlich verbessert werden. Dafür braucht es neben Methoden auch Mindset. Dieses zu prägen ist für mich ein wichtiger Fokus in der Projektarbeit.
DER PROZESSMANAGER: Wie lösen Sie diese Herausforderungen konkret?
Roland Penner: Selbstverständlich ist eine ausgeprägte Methodensicherheit unerlässlich. Das ist für mich als Berater Grundvoraussetzung. Aber genau darin liegt auch eine Tücke – nämlich zu glauben, dass die Methode alleine es schon richten wird.
Um die Herausforderungen zu meistern, die allesamt im Bereich des Mindsets und des Verständnisses liegen, muss ich auf Menschen eingehen. Deswegen haben wir bei COLCO die Devise, so viel Zeit wie möglich auf dem Shopfloor zu verbringen. Dabei sauge ich durch intensive Gespräche mit Werkern und Prozessanwendern einerseits möglichst viel Wissen auf und andererseits leiste ich Überzeugungsarbeit für die geplante Weiterentwicklung.
DER PROZESSMANAGER: Kommen wir zu einem anderen Thema: KI. Welche Rolle nimmt KI in Zukunft im Kontext der Schnittstelle Produktions-/Geschäftsprozesse ein?
Roland Penner: In ferner Zukunft gehe ich davon aus, dass KI einen Großteil von Entscheidungen in der Produktion übernehmen wird, die heute von Menschen getroffen werden. D.h. Prozesse werden noch smarter, noch automatisierter noch zielgerichteter durchlaufen. Die Möglichkeiten sind hier bekanntermaßen nahezu unbegrenzt.
In der absehbaren Zukunft – und darauf konzentrieren wir uns als umsetzungsorientierte Mittelstandsberatung – sind Kosten, Aufwände und Nutzen entscheidend. Hier ist es also ähnlich wie bei den bereits heute umfänglich verfügbaren Industrie 4.0 Anwendungen. Und da sind wir dann auch ganz schnell wieder beim Ausgangsthema: definierte Prozesse sind der Start jeder Verbesserung im Unternehmen.
DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank, Herr Penner, für das aufschlussreiche Interview!
Zur Person:
Roland Penner ist seit 2014 als Prozessberater bei der COLCO Prozessberatung GbR als Prozessberater tätig und seit 2021 Geschäftsführender Gesellschafter. Mit seinem Background im Ingenieurwesen liegt für ihn der Fokus insbesondere auf den Themen Machinensicherheit und Industrie 4.0.
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