DER PROZESSMANAGER: Herr Steiner! Als Subject Matter Expert beraten und unterstützen Sie Unternehmen bei der Einführung von Intelligent Business Process Automation. Da interessiert es uns natürlich brennend: Automatisieren Sie auch Ihre Prozesse selbst?

Alexander Steiner: Natürlich automatisieren ich auch meine Prozesse. Sowohl beruflich als auch im Privaten. Neben den typisch bekannten Automatisierungen im Bereich CRM- und Mail-Automatisierung nutzen wir auch unser eigenes Werkzeug, um Prozesse am Frontend zu automatisieren. Wir im Unternehmen setzten hier z.B. unsere meta:suite ein, um komplexe Stundenabrechnungen von verschiedenen Arbeitszeitmodellen aus unserem Zeiterfassungssystem zu extrahieren, zu normalisieren und zur Weiterverarbeitung zu konsolidieren.

Ich selbst setzte sie überwiegend ein, um Kundenreports aus verschiedenen Quellen zusammenzustellen und zu bearbeiten. Auch wenn in diesem Fall die Frequenz der Nutzung und das Volumen eher gering ist hilft es doch sehr die Fehlerquote zu minimieren und schont meine Nerven ungemein. Im Privaten hat Automation bei mir einen großen Stellenwert. Neben der Heimautomation nutze ich auch viele intelligente Helferlein, sowohl auf meinem heimischen PC als auch auf meinen mobilen Geräten. Hauptsächlich kommt dabei IFTTT zum Einsatz.

Übrigens: Am 06.05.2022 findet um 16 Uhr Alexander Steiners kostenloser Automation Realtalk zu dem Thema “RPA – Lizenzkosten ≠ Business Case. So entlarvst Du Hidden Costs.” statt – Seien Sie auch dabei!

DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank für den Einblick. Bleiben wir doch direkt dabei: Viele Software-Anbieter predigen RPA als der Weisheit letzter Schluss. Sie sind ein Verfechter davon, dass es eben nicht ausreicht. Holen Sie uns doch hier kurz zu Ihrer Meinung ab, welche Gründe es dafür gibt?

Alexander Steiner: Nun ja, RPA, ist ein Werkzeug. Nicht mehr und nicht weniger. Mit allen Stärken und Schwächen die ein solches Werkzeug mit sich bringt. Einer Kombizange vergleichbar. Sie kann vieles, aber ,wer sich mit Heimwerken ein wenig auskennt, weiß: Mit einem richtigen Schraubenschlüssel dreht sich eine Schraube eben besser auf bzw. zu -und das mit weniger Risiko abzurutschen, als mit der Kombizange. Hat man aber entweder keinen Schraubenschlüssel oder die Schraube hat keinen Sechskantkopf, ist die Kombizange die erste Wahl.

Niemand wird morgens aufstehen und sagen: „Ich möchte ab heute meine Prozesse mit RPA automatisieren. Die Grundfrage die man sich stellt, wenn man überhaupt direkt das Thema Automation auf dem Radar hat, ist doch eher: „Wie kann ich am effektivsten und robustesten meine Geschäftsprozesse automatisieren?“

Das ist in einer idealen Welt technologisch gesehen nicht RPA, sondern eine vollintegrierte Backend Automation. Wir leben aber nun einmal leider nicht in einer idealen Welt. Daher müssen wir zu Kompromissen und Übergangslösungen greifen. Hier kann RPA großen Nutzen stiften, da es auf Grund der kurzen Entwicklungszeit und des überschaubaren Budgets durchaus eine Brücke zwischen der meist aktuell vorherrschenden, stark manuell geprägten Ausführung und der besagten vollintegrierten Prozessautomation darstellt. Manche nennen RPA daher auch nicht grundlos ein Pflaster, wobei ich diese Analogie etwas schwierig finde, weil RPA ja keinen Heilungsprozess fördert.

Sicher kann man in sehr stark eingegrenzten Einzelfällen RPA als der Weisheit letzter Schluss ansehen. Dann, wenn man bereits zu Beginn weiß, dass man tatsächlich aus dem Bereich, in dem es eingesetzt wird, vom Umfang und von der Komplexität her nie herauskommen wird. Aber in einer heutigen dynamischen und stark vernetzten Welt ist das doch eher die Ausnahme als die Regel. Eines muss in diesem Zusammenhang klar sein: Wenn ich RPA als alleiniges Mittel zum Zweck sehe, schränke ich mich sehr stark in punkto Skalierung, Flexibilität und unternehmensweite Nutzung ein.

DER PROZESSMANAGER: Was sind Ihrer Meinung die größten Hürden, bei einer Umstellung auf eine geschäftsprozessorientierte Automation?

Alexander Steiner: Interessanterweise stellen wir immer wieder fest, dass es nicht einmal die technische Umsetzung ist an der es als erstes rumpelt. Schon weit davor beginnen die Herausforderungen. Da, wo einfach die Sensibilität fehlt, den Prozess als solchen zu erkennen.

Die zweite Hürde, die es zu nehmen gilt, ist es, diesen erkannten Prozess dann auch in einer Form zu dokumentieren, dass er zur Automation taugt. Hier spielen auch viel Empathie und Umgang mit den involvierten Menschen eine Rolle. Informationen zu den beiden Punkten bekommt man natürlich nur dann, wenn diejenigen, die das Wissen um diese Prozesse haben, auch mit den entsprechenden Stellen kooperieren, die diese Prozesse letztendlich auch automatisieren sollen. Oft sieht man, dass in Unternehmen sich zum Beispiel eine unüberwindbare Kluft zwischen IT und Fachbereich gebildet hat.

Es ist zwar möglich, Automation in einem solchen Umfeld zu etablieren, aber eine wirklich sinnvolle Lösung, die auch tatsächlich unternehmensweit und vor allem auf Dauer funktioniert, wird nur dann möglich sein, wenn alle an einem Strang ziehen. Nämlich dann, wenn die technischen Abteilungen sich um den technischen Teil kümmern, und die Fachabteilung das fachliche Wissen um den Prozess mit einbringen. Und das Tag für Tag. Denn auch die frühzeitige Kommunikation von Änderungen ist einer der Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzung und den Betrieb der Lösung.

Die Evolution der Prozessverarbeitung (©meta:proc GmbH)

Mit der Initialen Entwicklung der Automation ist es oft nicht getan. Viele scheitern dann an der täglichen Nutzung. Spätestens dann, wenn man eine stattliche Anzahl an Automationen entwickelt hat, und dann Änderungen in der bedienten Umgebung stattfinden – z.B. Updates von Applikationen, oder Anpassungen im Prozess. Aufgrund der vielen, oft dezentralen Automationen, die man über die Zeit geschaffen hat, kommt – je nach Lösung – ein nicht unerheblicher Aufwand auf die Entwickler zu. Die entsprechenden Automationen müssen dann den neuen Gegebenheiten angepasst werden.

Man darf bei der Betrachtung dieses Aufwandes nicht vergessen, dass man vermutlich in den Fachbereichen durch die Automationen das Personal von der manuellen Bearbeitung abgezogen hat. Je nach gewähltem Modell zur Erstellung und Pflege der Automationen müssen nun die übriggebliebenen Mitarbeitenden sowohl die durch den Ausfall der Roboter anfallenden manuellen Aufgaben übernehmen als auch die Anpassungen der Automationen durchführen. Das ist ein Risiko, dass kaum einer auf dem Radar hat. Sind zum Beispiel in einer Abteilung statt zehn nur noch drei Mitarbeiter für die Ausführung eines Prozesse verantwortlich und die Automatisierung fällt aus, fehlen häufig die Notfallkonzepte.

DER PROZESSMANAGER: Da stellt sich wohl die Frage: RPA und jetzt? Oder in anderen Worten: Was raten Sie Unternehmen, die bereits RPA im Einsatz haben, und jetzt die nächsten Schritte in ihrer Automation-Journey gehen wollen?

Alexander Steiner: Grundsätzlich ist es schon einmal gut, wenn sich diese Frage überhaupt gestellt wird. Der Großteil der Nutzer von RPA sind an diesem Punkt noch gar nicht angelangt. Idealerweise stellt man sich diese Frage aber bevor man mit RPR beginnt.

Was, wenn man nun aber in der Situation, in der man der Meinung war: “Klein anfangen reicht”, feststellt: “Eigentlich wollen wir mehr”? Dann muss eine Strategie her, die aus RPA auch wieder herausführt, bzw. RPA nur als eines von vielen Möglichkeiten zur Automation integriert. Hat man mit der meta:suite begonnen, ist man fein raus, da hier alle Möglichkeiten und auch die zugrunde liegenden Strategien dahinter fester Bestandteil der Lösung sind. Hat man zuvor mit einem reinen RPA Tool begonnen, gibt es zwei Möglichkeiten:

Man erweitert die Funktionalitäten der RPA Lösung durch weitere Produkte, die oberhalb dieser RPA Umgebung eine weiteren Orchestrierungs-Layer etabliert. Diesen Weg gehen einige mir bekannte Unternehmen und stecken dabei wirklich sehr viel Zeit und Aufwand die notwendige Verknüpfung und Anpassung dieser Lösungen. 

Die andere Möglichkeit ist es, am besten (aber nicht notwendigerweise) von Beginn an auf einer Plattform Lösung zu setzen, in der alle Automatisierungsvarianten integriert zur Verfügung stehen. Hierzu gehört auch unsere meta:suite. Dann ist man frei in der Wahl der Werkzeuge und kann punktuell entscheiden, an welcher Stelle RPA die sinnvollere Wahl ist, oder an welcher bereits Schnittstellen für eine integrierte Automation zur Verfügung stehen. Aus zeitlicher Sicht auf eine Migration ergeben sich hier sehr flexible und risikoarme Migrationspfade. Man kann auf Big-Bang-Ansätze völlig verzichten und Schritt für Schritt bestimmte Teilbereiche umstellen, ohne große Risiken einzugehen oder komplexe Rollback-Szenarien definieren zu müssen.

Man kann auch aus der bestehenden RPA Lösung heraus auf eine solche Plattform wechseln ober beides koexistieren lassen. Man hat die Möglichkeit, zunächst existierende Robots aus der Plattform heraus zu steuern und im Falle von Anpassungen oder neuen Prozessen zu wählen, ob man das bereits bestehende RPA Tool dafür weiterverwendet oder die Automatisierung direkt nativ z.B: in der meta:suite umsetzt. Letzteres gibt deutlich mehr Freiheiten und Flexibilität aus der Frontend-Automatisierung Stück für Stück in eine vollintegrierte Automation hinein zu wachsen, ohne großartige Aufwände in die Migration von einem Tool zum anderen zu stecken.

DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank für den Einblick. Nun einmal ein Ausblick: Vielerorts hört man, dass die deutsche Industrie in Sachen Digitalisierung, Automatisierung und KI hinterherhinkt. Welche Chancen und Gefahren sehen Sie für deutsche Unternehmen, wenn man diesen Anschluss nicht mehr findet?

Alexander Steiner: Die größte Gefahr, die ich aktuell sehe, ist, dass es immer noch sehr viele Unternehmen gibt, die sich die Frage stellen, ob automatisiert werden soll oder nicht. Wenn wir uns den Fortschritt in diesem Bereich anschauen, wird sich diese Frage in naher Zukunft nicht mehr stellen. Es ist dann nicht die Frage „ob” sondern „wann“ automatisiert wird. Und auch hier gilt die Faustregel: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“.

Dabei sind viele nach wie vor der Meinung, dass, wer heute auf ein solches Thema setzt, noch viel Pionierarbeit leisten müsse. Das ist jedoch definitiv nicht mehr der Fall. Nicht falsch verstehen: Natürlich gibt es Pionierarbeit zu leisten. Die besteht jedoch überwiegend darin, das eigene Unternehmen auf einen Stand zu bringen, dass die eingesetzten Werkzeuge auch ihre Arbeit tun können – nicht für die Tools selbst.

Automatisierungstechniken selbst sind in vielen Bereichen ausgereift, und werden schon an noch mehr Stellen sehr intensiv eingesetzt. Jeder Mitbewerber, der sich diesem Trend sperrt oder heute zögerlich gegenübergestellt, wird früher oder später in einer Nische abwandern, oder komplett das Feld räumen müssen, weil er sich selbst mehr und mehr seiner Wettbewerbsfähigkeit beraubt. Dies gilt zumindest für die Unternehmen des Mainstreams – für Nischenanbieter gelten hier natürlich andere Regeln.

Aber es ist nicht nur das: Wer heute beginnt mit Automatisierung, wird möglicherweise zunächst den ein oder anderen Rückschlag erleiden, aber die gemachten Erfahrungen geben einen großen Vorsprung vor denen, die heute noch der Meinung sind, Automatisierung sei nur was für die anderen. Dabei darf man selbstverständlich nicht die entsprechenden Budgets und Größen der Unternehmen aus dem Auge verlieren.

Sprechen wir über RPA, ist das alles sehr überschaubar. Da kann man schon fast sagen: “Wer sich heute nicht zumindest ernsthaft Gedanken um das Thema RPA macht, handelt schon fast fahrlässig.” Für den ersten Einsatz gibt es kostengünstige, teils kostenfreie Alternativen, mit denen man die ersten Schritte und Gehversuche wagen kann. Auch hier sind schon beeindruckende Erfolge erzielbar.

Die Basis-Schnittstelleautomation sollte ohnehin in keinem guten Unternehmen mehr fehlen und über Automatismen, die durch entsprechende Tools wie BI, CRM, ERP mitgebracht werden, brauchen wir gar nicht erst zu reden.   

Sobald wir aber in den Bereich KI gelangen, wird es schon deutlich komplexer. Zum einen bringen unserer Erfahrung nach Unternehmen heute oft noch gar nicht die Voraussetzungen mit, künstliche Intelligenzen effektiv und sinnvoll zu nutzen. Das heißt, hier sind zunächst noch einige Hausaufgaben zu machen, bevor man mit einem solchen Thema startet.

Zum anderen ist nicht jedes mittelständige Unternehmen in der Lage, die hohen Kosten und Personalaufwände für die initiale Einrichtung einer entsprechenden KI in Ihrem Budget unterzubringen. Oft ist das aber auch nicht in den ersten Phasen der Automatisierung notwendig. Wir sind der Überzeugung, dass ein Großteil der entsprechenden Prozesse in einem Unternehmen durchaus auch auf einfachen, regelbasierten Automatisierungen sehr gut und effizient umsetzbar sind.

Ist man dann routiniert im Umgang mit Automation und hat durch deren Nutzung entsprechende Prozesserfahrung sowie vor allem Datenvolumen erzeugt, die es überhaupt sinnhaft machen, sich um entsprechende KI-Systeme Gedanken zu machen, dann denke ich, macht es auch Sinn, hier den nächsten Schritt zu wagen. All das hilft zudem, die Aufwände, die man in einer solchen Implementierung investiert, deutlich überschaubarer und vor allem kalkulierbarer zu gestalten, als wenn man von Tag 0 an, mit keinerlei Trainingsdaten und keinerlei Erfahrung, mit dem Thema KI direkt mit dieser Königsklasse einsteigt.

DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank, Herr Steiner!

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