Kristin Steinbach ist als Product Owner von Bpanda vor allem für die Konzeption von neuen Funktionen zuständig. Dabei koordiniert sie das Entwicklungsteam in der agilen Softwareentwicklung. Ihre langjährige Erfahrung hilft ihr, den Kundenfokus nicht zu verlieren und am Puls der Zeit zu bleiben.
DER PROZESSMANAGER: Starten wir in unser Interview mit Kristin Steinbach! An dieser Stelle nochmals vielen Dank für die Bereitschaft. Sie beschäftigen sich im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Product Owner von Bpanda mit Kunden in verschiedenen Branchen. Mal Branchen- und Kundenübergreifend: Vor welchen Herausforderungen stehen Ihre Kunden denn immer wieder?
Kristin Steinbach: Die typischen Herausforderungen unserer Kunden treten schon ganz am Anfang auf. Fragen wie „Wie dokumentiere ich für unser Unternehmen eigentlich am sinnvollsten? Und wie kann ich dabei sicherstellen, dass die Prozessdokumentation wirklich den im Arbeitsalltag gelebten Prozessen entspricht?“ sind dabei keine Seltenheit. Aus unserer Erfahrung können wir allerdings sagen, dass eine Dokumentation von Abläufen – sei es mit Excel, Visio oder BPMN 2.0 – in so gut wie jedem Unternehmen vorhanden ist. Doch weist die Dokumentation in den meisten Fällen nur wenig Bezug zu den realen Prozessen auf. Folglich arbeitet niemand wirklich damit, sodass die Doku über kurz oder lang in der Schublade landet.
Außerdem kommt für einige unserer Kunden in den letzten Jahren verstärkt das Thema Regulatorik dazu. Sie möchten nicht nur dokumentieren, nein, sie müssen dokumentieren, um Auflagen oder Ablagepflichten zu erfüllen und Zertifizierungen zu bestehen. Gerade dieses Spannungsfeld begünstigt es sogar noch, dass die Prozessdokumentation nur für die Ablage entsteht und die Prozesse im Unternehmen nicht gelebt werden, obwohl die Chance dazu da wäre.
Was in letzter Zeit von unseren Kunden auch verstärkt nachgefragt wird, ist die Automatisierung von Prozessen. Quasi sobald die Frage „Wie dokumentieren wir“ geklärt ist, gibt es schon Bestrebungen, diese Prozesse zu automatisieren. Bei Themen wie Robotic Process Automation (RPA) und Process Mining stößt man aber durchaus auch auf Widerstand innerhalb von Unternehmen. Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz ist groß, schließlich möchte niemand seinen Job an eine künstliche Intelligenz oder gar einen Roboter abgeben. Dabei eignen sich gar nicht alle Prozesse zum Automatisieren. Oftmals ist es viel sinnvoller die Tätigkeiten der Mitarbeiter und damit auch die Prozesse bestmöglich zu unterstützen, was zum Beispiel durch Human Workflows ermöglicht wird.
DER PROZESSMANAGER: Heute sprechen wir gemeinsam über Human Workflow Management. Würden Sie gerne Ihre Definition des Begriffs geben und das ganze kurz näher erläutern?
Kristin Steinbach: Beim Human Workflow Management steht – auch in Abgrenzung zur Prozessautomatisierung – ganz klar der Mensch im Mittelpunkt. Dieser soll bei seinen Tätigkeiten unterstützt und begleitet werden, vor allem bei den Tätigkeiten, die über einen längeren Zeitraum laufen sowie mehrere Abteilungen und verschiedene Tools bei der Ausführung involvieren, wie beispielsweise Onboarding- oder Freigabeprozesse. Hier kann es schnell passieren, dass man den Überblick verliert oder Informationen in unzähligen Mails oder Channels geteilt werden. Kommt dann noch eine feste Deadline dazu, hat man meistens verloren.
Genau an diesen Punkten kann Human Workflow Management ansetzen. In unserem BPM-Tool Bpanda haben wir mit der brandneuen Funktion „Jobs“ eine sehr leichtgewichtige Lösung geschaffen, mit der Arbeitsabläufe ausgeführt werden können und die Informationen schnell auf einen Blick vorliegen. Auf diese Weise kann auch sichergestellt werden, dass Prozesse nicht nur für die Ablage erstellt und dokumentiert werden, sondern wirklich dem realen Bild im Unternehmen entsprechen und damit auch gelebt werden.
DER PROZESSMANAGER: Angenommen der Ansatz stößt auf Akzeptanz und ist unternehmensweit erfolgreich mit Hilfe der MID GmbH eingeführt worden. Wo sehen Sie die Vorteile – beispielsweise für einen klassischen deutschen Mittelständler – im Gegensatz zum Trendthema Prozessautomatisierung?
Kristin Steinbach: Das ist eine sehr gute Frage, denn hier muss man auch nochmal unterscheiden was man genau unter Prozessautomatisierung versteht. Aus meiner Sicht gibt es hier zwei große Strömungen: Die Vollautomatisierung und RPA.
Gerade für eine Vollautomatisierung wird nach Prozesserfassung und -analyse ein doch recht großes (und damit teures) IT-Projekt aufgesetzt. Dieses dreht meist die komplette IT-Landschaft auf Links – Mitarbeiter müssen sich an neue Vorgehensweisen gewöhnen etc. Bei RPA werden nur Teile automatisiert, indem ein Bot die Arbeit des Menschen übernimmt. Hier gilt es die Menschen mitzunehmen, damit kein Unmut entsteht.
“Human Workflow Management stellt die Ausführer, die Menschen, der Prozesse in den Mittelpunkt!”
Human Workflow Management hingegen setzt nicht bei Prozessanalysen an. Vielmehr stehen die Menschen, also die Ausführer der Prozessschritte im Mittelpunkt. Diese werden mitgenommen, sind involviert, da sie zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit haben, die Prozesse mitgestalten zu können.
Das schafft Akzeptanz unter den Nutzern. Ein weiterer Vorteil ist, dass sofort nach Erstellung der Prozesse losgelegt werden kann. Mit nur einem Klick ist zum Beispiel in Bpanda ein Job für einen Prozess erstellt und kann von den Mitarbeitern live durchlaufen und somit auch gelebt werden.
Außerdem ermöglicht der Human Workflow eine gewisse Flexibilität, da Anpassungen wie das Hinzufügen von Tasks oder das Ausführen der Tasks in geänderter Reihenfolge jederzeit möglich sind. Somit ist auch der kontinuierliche Verbesserungsprozess direkt in Gang gesetzt, wovon die gesamte Prozessdokumentation profitiert. Genau dieses Potenzial bietet Human Workflow und ist somit an vielen Stellen einfach schneller und kostengünstiger als eine Prozessautomatisierung. Dies ist besonders für den Mittelstand von Vorteil, da dieser oftmals nicht über so viele Ressourcen verfügt wie Großkonzerne.
DER PROZESSMANAGER: Eingangs haben Sie die Diskrepanz zwischen dokumentierten Prozessen und den tatsächlichen Abläufen als eine zentrale Herausforderung angesprochen: Wie lässt sich diese (besser) mit Human Workflow Management meistern?
Kristin Steinbach: Das würde ich gerne an einem konkreten Beispiel aus meinem Arbeitsalltag als Product Owner verdeutlichen. Wir entwickeln Bpanda im Kanban-Ansatz und stellen unseren Kunden jeden Monat ein neues Release zur Verfügung. Da Prozessmodellierung unsere Stärke ist, haben wir natürlich auch unseren eigenen Release-Prozess dokumentiert. Ganz klassisch haben wir mit allen Beteiligten gesprochen: Entwickler, Testabteilung, DevOps, Marketing, technische Redaktion und Produktmanagement.
Ein durchaus großer Personenkreis, der doch einige Abteilungen umfasst. Nach Prozesserfassung hat jeder sein Feedback im Rahmen eines durchgeführten Reviews gegeben und anschließend haben wir den Prozess veröffentlicht. Allerdings hatten wir anfangs noch nicht die Möglichkeit, diesen auch wirklich zu leben. Das änderte sich mit unserem neu entwickelten Feature „Jobs“. Kaum hatten wir die Funktion für uns freigeschaltet und einen Job erstellt, haben wir schon gemerkt, dass da einiges nicht so läuft, wie vorher besprochen.
Es gab ganz klar eine Diskrepanz zwischen Doku und wirklichen Arbeitsabläufen. Allerdings konnte jeder aufgrund von Jobs komplett flexibel darauf reagieren, es wurden Tasks eingefügt oder in anderer Reihenfolge ausgeführt. So konnten wir bereits nach dem ersten Job, also dem ersten Live-Durchlaufen, den Release-Prozess anpassen – so schnell hätten wir das in keinem Meeting klären können.
Seitdem nutzen wir „Jobs“ dafür monatlich und haben schon 10 neue Prozessversionen veröffentlicht. Dadurch haben wir nun ein so reales Abbild unseres Prozesses wie noch nie zuvor. Jede der involvierten Abteilungen nutzt „Jobs“ gerne, weil nicht mehr nachgefragt werden muss, wie der aktuelle Stand gerade ist. Stattdessen ist es dank des Human Workflows auf einen Blick ersichtlich, wer gerade (parallel) an welchem Schritt arbeitet und welche Schritte bereits erledigt sind. Aufgrund dieser erfolgreichen Erfahrung bin ich überzeugt, dass Human Workflows auch vielen weiteren Unternehmensprozessen, wie z.B. Onboarding oder Freigabe-Prozessen, zu einem realistischeren Abbild verhelfen und die Mitarbeiter bestmöglich in ihren Tätigkeiten unterstützen werden.
Das Thema ist auch Bestandteil unseres nächsten Webinars am 02.04.2020. Jeder, der Interesse hat, kann sich gerne dazu anmelden. Sollte eine Live-Teilnahme nicht möglich sein, stellen wir die Webinar-Aufzeichnung für einen späteren Zeitpunkt zur Verfügung.
DER PROZESSMANAGER: Nun ist es zum Abschluss immer interessant eine persönliche Einschätzung einzuholen. Welche Trends erachten Sie denn im Kontext “Prozessmanagement” (Anmerkung: i.w.S.) in den nächsten 5 Jahren für extrem wichtig? Wo bewegen wir uns hin?
Kristin Steinbach: Meine Meinung ist hier ganz klar: „Ohne Prozesse keine Digitalisierung!“ Ich bin davon überzeugt, dass die Digitalisierung von Morgen ohne Prozessmanagement absolut undenkbar wird. Wenn immer mehr Unternehmen – egal ob Großkonzern, Mittelstand oder NGO – beginnen, ihre Prozesse zu erfassen, bedeutet das natürlich auch, dass mehr Wissen über und Verständnis für Prozesse benötigt wird.
Meiner Meinung nach ist dann die Demokratisierung von BPM absolut wichtig, also dass immer mehr Mitarbeiter, oftmals auch auf eigenen Wunsch hin, aktiv ins Prozessmanagement der Unternehmen einbezogen werden. Dafür muss ein einfacher Zugang für alle geschaffen werden. Das Ziel von Prozessmanagement und auch BPM-Tools sollte es zukünftig sein, möglichst alle Mitarbeiter zu befähigen, einen eigenen Beitrag leisten zu können. Dadurch können sie ihre Prozesse aktiv mitgestalten und leben. Auf diese Weise bauen sie selbst viel Wissen und Erfahrung rund um Prozessmanagement auf, wovon das ganze Unternehmen profitieren wird.
Genau an dieser Stelle setzt Bpanda mit seinem kollaborativen und verteilten Ansatz an. Prozessmanagement gehört allen Mitarbeitern im Unternehmen, es soll und darf keine Insellösung sein. Ansonsten wird das Potenzial, das Wissen der eigenen Mitarbeiter, verschenkt. Gerade Human Workflows bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Mitarbeiter einzubeziehen und das Wissen bewusst für die Optimierung von Prozessen zu nutzen. Diese Möglichkeiten sollten die Unternehmen effektiv für ihren kontinuierlichen Verbesserungsprozess nutzen.
DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank Kristin Steinbach für Ihre ausführlichen Gedanken und Ihre Zeit!
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