Als Betreiber des Hamburger Hafenmanagements ist die HPA für alle behördlichen Belange, Infrastruktur- und Verkehrsmanagement des Hamburger Hafens zuständig.

DER PROZESSMANAGER: Beschreiben Sie doch in aller Kürze, welche Aufgaben Sie bei der HPA konkret übernehmen und wie sich dadurch Ihr Alltag gestaltet?

Dr. Phantian Zuesongdham: Gemeinsam mit meinen Teamkollegen im Bereich Chief Digital Office bin für die Entwicklung und die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie zuständig, wie die digitale Transformation, Prozessorientierung und Innovation. Dabei koordiniere ich verschiedene Fachabteilungen und Partnerunternehmungen und berate in strategischen Fragestellungen zu diesen Themen. Zum Beispiel wie Arbeitsprozesse mithilfe der Digitalisierung effizienter gestaltet werden können. Hier gibt es Ansätze aus der Prozessinnovation, die einfließen. Dabei prüfen wir verschiedene Ansätze, um Vorhaben projektorientiert umzusetzen. Wir arbeiten dabei auch mit externen Partnern zusammen – egal, ob mit Universitäten, Kunden oder Geschäftspartner der HPA – und greifen auf Start-ups, Großunternehmen sowie Klein- und Mittelbetriebe (KMU) zurück. Je nachdem, welcher Partner zur HPA passt und mit wem das Ziel besser erreicht werden kann. Im Bereich Forschung und Entwicklung geht es darum, Fördermittel für unsere Innovationsprojekte mit neuen Erkenntnissen zu gewinnen. Ich bin laufend auf der Suche nach Kooperationen und Finanzierungsmöglichkeiten unserer Digitalisierungsaktivitäten.

Mein Alltag ist sehr bunt, kein Tag ist wie der andere. Im 2-Wochen-Rhythmus prüfe ich, welche Aktivitäten wir zu bewältigen haben und plane diese iterativ. An einem Tag leite ich einen Workshop, an einem anderen berate ich im Stundentakt die Fachabteilungen, bin in Konferenzen oder in einer Thinktank-Gruppe zu dem Thema Digitalisierung aktiv, wo wir mit Start-ups brainstormen und Innovations-Workshops mit agilen Methoden veranstalten. Zudem engagiere ich mich bei der EU-Kommission für die Förderung und strategische Weiterentwicklung der Handlungsfelder von Digitalisierung in Transport und Logistik.

DER PROZESSMANAGER: Sie haben Ihre Branche im Vorfeld als “eher konservativ” beschrieben. Welchen Herausforderungen stehen Sie bei der Umsetzung der digitalen Transformation aktuell gegenüber?

Dr. Phantian Zuesongdham: Der Hamburger Hafen hat seinen letzten großen Wandel zuletzt in den 70er-Jahren durchlaufen – das war die Containerisierungdurch Malcom McLean. Seitdem sind nur kleine und mittelgroße Veränderungen in dieser Branche geschehen. Wie z.B. hat sich die Größe der Containerschiffe geändert, was auch zu Herausforderungen für das An- und Auslaufen bei einigen Häfen führt, insbesondere bei einem tideabhängigen Hafen wie Hamburg. Jetzt leben wir in einer Zeit, in der die Megatrends die Technologie sehr schnell verändert. Dabei ist die HPA auch mit ihrer Wandelfähigkeit gefordert – wir müssen schneller auf aktuelle Ereignisse von außen reagieren und nach innen übertragen können. Herausfordernd ist, alles auf dem Radar haben zu müssen. Egal, ob es sich dabei um Marktteilnehmer in- oder außerhalb der Branche handelt. Wir fragen uns, wie diese Unternehmen agieren würden und was es für unser Unternehmen konkret bedeutet, welche Vorbereitungen getroffen werden müssen, damit wir unsere Handlungs- und Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder sogar erhöhen können.

Einer der strategischen Ziele der HPA lautet, die Organisation auf diese Veränderung vorzubereiten. Wir wollen die Resilienzkompetenz in unserer Organisation und bei unseren Beschäftigten stärken. Das bedeutet: Wir müssen jederzeit die Handlungsfähigkeit für unser Tun gewährleisten bzw. bewahren können. Der wirtschaftliche Schaden wäre unermesslich groß, wenn das Hafengebiet nicht leistungsfähig ist. Dies hätte auch starke Auswirkungen auf die Ökonomie Hamburgs. Deswegen haben wir viele Maßnahmen innerhalb des Unternehmens gesetzt, wie z.B. das Gesundheitsmanagement oder die zukunftsfähige Organisationsentwicklung, und kümmern uns so um die Resilienz der Mitarbeiter. Unsere Prozessorientierung und Innovationskultur unterstützt Menschen, mit der neuen Methodik und dem neuen Mindset zu arbeiten.

DER PROZESSMANAGER: Um nochmals auf das Konservative zurückzukommen: Wie steht Ihr Unternehmen zu aktuellen Trends, wie z.B. Robotic Process Automation oder Process Mining? Ist das bereits ein Thema mit dem Sie sich beschäftigen?

Dr. Phantian Zuesongdham: Ja, natürlich! Unser Technologie-Radar umfasst bereits sehr viele Technologien, mit denen wir uns beschäftigen. Wir sind seit einiger Zeit dabei, die neue Visualisierungsform durch Virtual and Augmented Reality (VR/AR) mit Prozessen zu verbinden. Oder die Information von Prozessen über solche Technologien darzustellen, um Kollegen besser abholen oder ihre Arbeitsprozesse verbessern zu können. Wir arbeiten auch mit Prototypen von Robotic Process Automation (RPA) und beschäftigen uns mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) im Prozesskontext.

Das sind die Themen, die wir auf unserem Radar haben, um uns weiterzuentwickeln und auf künftige Anforderungen des Marktes und unserer Kunden vorbereitet zu sein. Egal, ob es sich dabei um Speditionen, Hafenbetriebe oder die Kooperation mit anderen Partnerhäfen handelt, die ähnliche Themen vorantreiben. Wir haben ein Portfolio an Technologien und Prozessinnovationen, die wir verfolgen und peu à peu mit Reifegrad begleiten. Welche Technologie erproben wir und lernen wir kennen? Was können wir mit welcher Anwendung bestücken? Das muss natürlich immer bedarfsorientiert erfolgen, damit auch hausintern die Akzeptanz gegeben ist.

DER PROZESSMANAGER: Logistik 4.0 impliziert die Vernetzung und Integration logistischer Prozesse bis hin zur dezentralen Echtzeitsteuerung logistischer Netzwerke. Was glauben Sie, wohin geht die Reise des Logistik-Mitarbeiters im Kontext der Digitalisierung?

Dr. Phantian Zuesongdham: Die Logistik der Zukunft wird vernetzt sein. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass Mensch und Maschinen zusammenarbeiten müssen. Ich bin davon überzeugt, dass der Anteil von Prozessen zwischen Maschine und Mensch zunehmen wird. In der Produktionslogistik arbeiten Roboterarme bereits neben Menschen. Und auch in der Kommissionierung und Intralogistik werden immer mehr Maschinen oder neue Technologie, wie z.B. Sprachsteuerung und smarte Brillen, eingesetzt.

Diese neue Form der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine gilt es zu akzeptieren und in der Mitarbeiter-Entwicklung frühzeitig im Unternehmen vorzubereiten. Welche Fähigkeiten und Kompetenzen werden von den Mitarbeitern zukünftig gefordert, um neue Prozesse abdecken zu können? Wir müssen aber auch die Frage stellen, wie können wir Menschen in ihrer Arbeit unterstützen, indem wir Maschinen, Roboter-Systeme oder neue Technologien einsetzen. Sodass wir nicht wie im Journalismus oder in der Werbebranche überrascht sind, dass plötzlich eine Künstliche Intelligenz Artikel schreibt oder einen Werbespot kreiert. Darauf wollen wir die Kollegen im Unternehmen gut vorbereiten.

DER PROZESSMANAGER: Gerade in einem Umfeld, das vielleicht skeptisch gegenüber Neuem ist, benötigt man sehr viel Einfallsreichtum für Veränderungsprojekte. Jetzt ist es natürlich so, dass insbesondere die Umsetzung einer digitalen Transformation und das Erleben von Erfolg länger dauern. Wie halten Sie Ihre Mitarbeiter hier bei der Stange?

Dr. Phantian Zuesongdham: In unserer Unternehmensstrategie steht, Menschen in den Mittelpunkt zu setzen. Bei der Digitalisierung sind viele Menschen verständlicherweise sehr skeptisch und glauben, dass die Digitalisierung ihren Arbeitsplatz rationalisieren wird. Wichtig ist hier, unter Führungskräften und Mitarbeitern Aufklärung zu betreiben und aufzeigen, was Digitalisierung konkret bedeutet. Wir erklären Kollegen die Digitalisierung so, dass damit ihre Arbeit bzw. ihr Arbeitsalltag erleichtert wird. Digitalisierung wird von Menschen umgesetzt und erfüllt keinen Selbstzweck – dafür gilt es Akzeptanz zu schaffen. Man darf die Digitalisierung nicht verteufeln, sondern muss sie Schritt für Schritt auf die Erde bringen. Damit die Menschen verstehen, was Digitalisierung für ihren Alltag bedeutet.

Menschen sind rationale Wesen und werden sich nur ändern, wenn sie verstehen warum. Erst wenn sie begreifen, welche Vorteile sie daraus ziehen können, werden sie und ihr Umfeld anfangen sich zu verändern. Wir haben den Ansatz „Prozessmanagement on Demand“ und zeigen dabei den Nutzen bzw. den Mehrwert auf. Ein ähnliches Prinzip gilt auch bei der Digitalisierung. Wir müssen zuerst einmal aufklären, was Digitalisierung ist und welchen Nutzen sie bringt. Im Prozessmanagement haben wir damit bereits gute Erfahrungen gemacht und das hilft auch in dem Rollenverständnis der verschiedenen Themen, die wir betreiben.

In der HPA gibt es seit letztem Jahr verschiedene Formate, wie den Tag der Digitalisierung oder Vorträge, um die Digitalisierung den Menschen persönlich näher zu bringen. Darüber hinaus bieten wir User-Foren, verschiedene Plattformen oder das Intranet und forcieren den Austausch unter den Mitarbeiter zu verschiedenen Themen. Wir vernetzten auch Themen wie Prozessmanagement und Digitalisierung, damit die Zusammenhänge erkannt und verstanden werden.

DER PROZESSMANAGER: Sie sind jetzt schon seit knapp zehn Jahren bei der HPA tätig. In einer so langen Zeit erlebt man sicherlich einige Erfolge, aber auch Misserfolge. Welche Tipps können Sie anderen Unternehmen zur Umsetzung ihrer Digitalisierungs-Strategie geben?

Dr. Phantian Zuesongdham: Drei Dinge sollte man berücksichtigen: Erstens, die Vision muss klar sein und ist immer im Hinterkopf zu behalten. Man wird die Vision nicht auf einen Schub umsetzen können; durch die Dynamik unseres Umfelds ist das teilweise nicht machbar. Dieses sogenannte Wasserfallprinzip, wo man früher eine Vision bzw. Strategie für zehn Jahre festgelegt und Stück für Stück abgearbeitet hat, funktioniert heute nicht mehr. Meine Devise lautet, eine Vision im Kopf zu haben und diese auch bildlich zu beschreiben. Damit andere verstehen, wohin wir wollen. Und dann klein anfangen und diese Erfolge auch feiern, um die Menschen zu motivieren und den Sinn dieser Maßnahmen sichtbar zu machen. Das schafft Akzeptanz. Und wir müssen auch bereit sein, die Vision bzw. die Strategie anzupassen, wenn sich das Umfeld ändert. Es ist nicht immer alles in Stein gemeiselt; die Strategie muss immer wieder in einem iterativen Prozess überprüft werden. Ist die Vision immer noch machbar?

Zweitens braucht es einen langen Atem. Maßnahmen können immer nur Schritt für Schritt umgesetzt werden. Veränderung braucht immer eine Notwendigkeit. Dazu ist es manchmal notwendig zu erklären, warum dieser Schritt gemacht werden muss. Alleine kann man solche Themen nicht bewegen. Deswegen ist es wichtig, die Bereitschaft zur Veränderung zu schaffen und die Menschen dafür zu gewinnen.

Drittens, nicht versuchen beim ersten Anlauf perfekt zu sein. Lieber anfangen statt bis auf die letzten fünf Meter ein zu 100 % perfektes Konzept zu kreieren und erst dann anzufangen. Darüber hinaus muss es auch erlaubt sein, Fehler machen zu können und diese zu korrigieren. Mit Fehlern ist der Lerneffekt am größten. Beim Prozessmanagement haben wir ein Big Picture, wo wir hinwollen. Aber dieses zu Beginn Perfektsein-Wollen sollte man ablegen. So haben wir unsere Strategie und Roadmap immer iterativ weiterentwickelt. Anderer Faktor ist: Vielleicht ist die Organisation noch nicht reif genug oder die Menschen müssen erst abgeholt werden. Maßnahmen lieber portionieren, damit die Kollegen eine Chance haben mitzukommen.

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