DER PROZESSMANAGER: Im September leiten Sie als Panel Co-Chair ein Diskussionsformat bei der 17th Int. Conference on Business Process Management.

Was sind Ihre Erwartungen an die Diskussion und welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich dabei?

Prof. Dr. Jan Recker: Mein guter Freund Prof. Dr. Hajo Reijers und ich haben uns zusammengesetzt, weil wir etwas „anders machen“ wollten. Warum nicht Prozessinnovation bei der Prozessmanagement-Konferenz einführen, war unser Gedanke. Wir haben uns überlegt, die Komposition und die thematische Ausrichtung des Panels zu „crowdsourcen“, in dem wir die Mitglieder der BPM Community selber gefragt haben, wen Sie gerne im Kreuzgespräch sehen würden, und zu welchen Themen. Die dabei erhaltenen Daten analysieren wir gerade. Nur so viel: Es wurden tolle Speaker vorgeschlagen, und auch wirklich interessante und weitgreifende Themen. Es wird sicher eine tolle Diskussion geben an der Konferenz; hoffentlich auch eine richtungsweisende.

DER PROZESSMANAGER: Seit Anfang 2018 sind Sie Professor an der Universität Köln. Zuvor haben Sie fast zehn Jahre Ihrer beruflichen Laufbahn an der Queensland University of Technology im Bereich BPM geforscht.

Wie kam es zum Wechsel zurück nach Deutschland?

Prof. Dr. Jan Recker: Unser Beruf bringt viel Flexibilität mit sich. Nach ungefähr 15 Jahren in Australien war sowohl ein beruflicher als auch privater Perspektivenwechsel in unserer Sichtweise eine gute Idee. Die Universität zu Köln war da für mich und meine Familie ein perfekter Standort: eine Exzellenzuniversität in unserer Heimat, die auch gut international verbunden ist. Die Universität spielt in der Region eine wichtige Rolle, was den Anschluss an die Praxis erleichtert.

Wie unterscheidet sich BPM in Australien gegenüber BPM in Deutschland?

Prof. Dr. Jan Recker: Prozessmanagement wird in vielen deutschen großen Unternehmen schon seit langer Zeit aktiv praktiziert. Der Berufsmarkt scheint sehr groß und auch stark aufgestellt zu sein. In Australien war die Adoption noch nicht so groß. Auch scheint hier in Deutschland das Interesse an neuen Prozesstechnologien stärker zu sein, z.B., Process Mining, Robotic Process Automation und Artificial Intelligence. Auf der anderen Seite war ich überrascht, dass die Prozessdigitalisierung in Deutschland doch stark anderen Ländern, inklusive Australien, hinterherhinkt.

DER PROZESSMANAGER: Die Implementierung prozessorientierter Informationssysteme hat in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen, sodass inzwischen vielzählige Systeme auf dem Markt bestehen.

Welche Anforderungen sollten diese Systeme aus Benutzersicht erfüllen?

Prof. Dr. Jan Recker: Der digitale Wandel bringt in meiner Sicht neue Anforderungen in Sachen Emergenz, Flexibiltät, Wandel, Anpassungsfähigkeit und Vernetzbarkeit. Das sind Anforderungen, mit denen sich „klassische“ prozessorientierte Systeme schon seit langen schwergetan haben. Um nicht den Anschluss zu verpassen, müssen die zukunftsfähigen Systeme ebenso wandelbar, anpassbar und daten-, nicht Modell-getrieben sein, wie ähnliche digitale Systeme der heutigen Zeit. Die Möglichkeit, einen bestehenden, rigiden Prozess auf eine digitale Plattform zu stellen (aber in gleicher, starrer Form), wird nicht länger ausreichend sein.

DER PROZESSMANAGER: Zahlreiche Trends, wie RPA und Process Mining, sind kostenintensiv in der Einführung, aber zeigen großes Potential und bestimmen das künftige Berufsbild des Prozessmanagers (vgl. Prozess-Management Forum 2019 in Wien).

Wo werden, ihrer Meinung nach, Unternehmen in naher Zukunft am meisten Geld investieren?

Prof. Dr. Jan Recker: Eine der großen Fragen der jetzigen Zeit ist die Balance in der Einsetzung von menschlicher und maschineller Arbeit in Prozessen – wo und wie können autonome, künstliche Agenten und menschliche Akteure sinnvoll in Prozessen zusammenarbeiten? Welche Prozesse sollten durch Algorithmen und Daten entschieden werden, wo nicht? Wir wissen schon längst, dass die Dichotomie Mensch-Maschine so nicht die Antwort erbringt. Auch wissen wir vermerkt, wo die Möglichkeiten und Grenzen künstlicher Intelligenz ist. Wie genau man jetzt aber klassisches BPM, modernes RPA und datengetriebenes Process Mining effektiv zusammenbringt, ist eine spannende Aufgabe.

Wie kann man mit Prof. Dr. Jan Recker Kontakt aufnehmen?

Ich bin aktiv auf LinkedIn und Twitter zu finden. Außerdem habe ich ein XING und Facebook Profil, benutze es aber nicht für die Arbeit. Meine Homepage: www.is4.uni-koeln.de.