In der vorangegangenen Publikation zu den 5 Lean Prinzipien wurden die Grundlagen der Lean Philosophie basierend auf den Prinzipien Kundenmehrwert, Wertstrom, Fluss, Pull und Kaizen dargelegt. Damit diese Prinzipien funktionieren und ineinandergreifen ist es unabdingbar, dass Zusagen gegeben und eingehalten werden. Denn nur dadurch erfolgt eine zielgerichtete Auftragserfüllung und es entsteht schlussendlich Vertrauen zwischen dem Kunden und dem Auftragnehmer.

Der Promise Cycle

Die Abbildung zeigt den Promise Cycle (Zyklus der Zusageneinhaltung) basierend auf den Erkenntnissen von Terry Winograd und Fernando Flores (1986). Der Zyklus besteht aus

  • der Anfrage eines Kunden, 
  • der Zusage eines Auftragnehmers mittels eines Angebots, 
  • der Leistungserfüllung und 
  • der Leistungsabnahme respektive der Anerkennung der Leistung. 

Der Promise Cycle schafft Verbindlichkeiten und dadurch Vertrauen innerhalb der Kunden-Auftragnehmer-Beziehung. Vertrauen steigert die Produktivität und senkt die Opportunitätskosten durch z.B. die Reduktion von Kontrollen. 

Zur konkreten Definition und Beschreibung des Promise Cycle ist es hilfreich diesen in der grafischen Darstellung um konkrete Schritte zu erweitern. 

Die erweiterte Grafik verdeutlicht den Ablauf innerhalb des Promise Cycle in sechs Schritten:

  1. Identifikation eines Bedürfnisses
  2. Definition des Bedürfnisses, der Rahmenbedingungen und der Hindernisse
  3. Anfrage beim Auftragnehmer durch den Kunden
  4. Zusage durch den Auftragnehmer
  5. Leistungserfüllung durch den Auftragnehmer
  6. Gemeinsame Abnahme

Schritt 1 – Identifikation eines Bedürfnisses

Im ersten Schritt identifiziert der Kunde ein konkretes Bedürfnis zur Leistungserfüllung durch einen Dritten. Wichtig ist, dass als Kunde nicht nur der Endkunde verstanden wird. Sobald ein Beteiligter ein Bedürfnis hat, bei dessen Erfüllung er Unterstützung eines weiteren Beteiligten benötigt – also eine Anfrage stellt, wird er zum Kunden im Zyklus der Zusageneinhaltung. 

Schritt 2 – Definition des Bedürfnisses, der Rahmenbedingungen und der Hindernisse

Damit der Kunde nun eine Anfrage stellen kann, muss er diese konkretisieren. Hierfür muss er die zu erbringenden Leistung klar und eindeutig definieren und den Fokus insbesondere auf strikt einzuhaltende Bedingungen legen. Nicht definierte Bedingungen werden vom Auftragnehmer nach bestem Wissen und Gewissen ausgeführt oder führen zu häufigen und zeitfressenden Nachfragen mit dem Ergebnis, dass Kosten, Termine und Qualitäten hierunter leiden können und Unzufriedenheit auf beiden Seiten entsteht.

Folglich sollte sich der Kunde folgende Fragen stellen:

Ist die zu erbringenden Leistung klar und eindeutig beschrieben? Sind die Ziele verständlich? Wird die definierte und beabsichtigte Leistungserfüllung das gewünschte Ergebnis erreichen? Bis wann soll die Leistung abgeschlossen sein?

Schritt 3 – Anfrage beim Auftragnehmer durch den Kunden

Zu Beginn der Anfrage ist zu prüfen, ob der Auftragnehmer eindeutig zuzuordnen ist oder zuerst identifiziert werden muss. Ist dieser identifiziert, gilt es festzustellen, ob dieser sich angesprochen fühlt und zur Leistungserfüllung bereit ist. Ist der Auftragnehmer gefunden, werden die Parameter definiert und rückkoppelnd geprüft, ob dieser über die notwendigen Fähigkeiten, Ressourcen und das nötige Engagement zur Leistungserbringung verfügt.  

Hierzu ist vor allem der Zeitrahmen klar und eindeutig festzulegen, damit es nicht zu Unstimmigkeiten kommt. Der Auftragnehmer kann nun die Anfrage akzeptieren, ablehnen oder ein Gegenangebot aussprechen.

Schritt 4 – Zusage durch den Auftragnehmer

Sind alle Rahmenbedingungen geklärt und ein gemeinsames Verständnis geschaffen, erfolgt die Zusage der zu erbringenden Leistung.

Schritt 5 – Leistungserfüllung durch den Auftragnehmer

Der Auftragnehmer beginnt mit der Arbeit und erledigt die notwendigen Tätigkeiten der gegebenen Zusagen. Hierbei kann der Auftragnehmer die Leistungen an weitere Parteien delegieren und somit eigene Promise Cycle beginnen, in denen er der Kunde ist. Zudem kann er die Zusagen im Prozess neu verhandeln oder widerrufen.  

Eine Neuverhandlung oder ein Widerruf sollte nur erfolgen, wenn sich an den Gegebenheiten etwas geändert hat und folglich die vereinbarten Handlungen nicht wie geplant oder unter Berücksichtigung der Zufriedenstellung des Kunden (z.B. hinsichtlich Kosten, Qualität oder Terminen) ausgeführt werden können. Der Widerruf einer Verpflichtung sollte lediglich dann erfolgen, wenn erkennbar ist, dass die Leistung nicht erbracht werden kann. Zum Schutze des Vertrauensverhältnisses und zur Gewährleistung der Reaktionsmöglichkeit des Kunden sollten Bedenken so früh wie möglich sowie offen und ehrlich kommuniziert werden. Der Widerruf des Kunden kann ebenfalls erfolgen, jedoch ist der Auftragnehmer für die bereits erbrachte Leistung in Form der verhandelten Bedingungen zu entlohnen. 

Schritt 6 – Gemeinsame Abnahme

Die Überprüfung der erledigten Leistung basierend auf den im Vorfeld definierten Kriterien durch Auftragnehmer und Kunde schließt den Promise Cycle ab. Der Kunde bestätigt die Erfüllung und infolgedessen die Zufriedenheit mit der Auftragserfüllung oder lehnt diese ab und fordert Nacharbeit. Im Falle der Ablehnung bzw. Nacharbeit beginnt der Promise Cycle wieder bei Schritt 1, denn der Kunde muss sein Bedürfnis erneut kommunizieren bzw. sich seinem korrigierten Bedürfnis bewusst werden und dieses in Form einer angepassten Anfrage an den Auftragnehmer weitergeben. 

Hauptflüsse der Zusageneinhaltung

Damit eine Zusage gegeben werden kann, muss geprüft werden, ob keine Hindernisse vorliegen. Für die Baubranche hat Koskela acht Hauptflüsse definiert, die für die erfolgreiche Ausführung der Tätigkeiten und resultierend die Einhaltung von Zusagen erforderlich sind. Diese können vom Grundsatz her auf alle Branchen übertragen werden und müssen lediglich dem Kontext entsprechend angepasst werden.

Ist auch nur einer der Hauptflüsse nicht erfüllt bzw. kann nicht gewährleistet werden, so ist die Zusageneinhaltung unsicher. Erst wenn diese Unsicherheit geklärt ist, sollte die Zusage gegeben werden, denn nur in diesem Fall steht der Erfüllung nichts im Wege und die Leistung wird zur Zufriedenheit aller Beteiligter erfüllt.

Vertrauen als Erfolgsfaktor für die Zufriedenheit

Wie bereits zu Beginn des Artikels aufgeführt, dient der Promise Cycle insbesondere zum Aufbau eines vertrauensvollen Verhältnisses. Zur Erreichung dieses Vertrauensverhältnisses muss neben der Vertrauenswürdigkeit der Zielperson auch die Vertrauensbereitschaft des Vertrauensgebers vorhanden sein. Hierbei wird die Vertrauenswürdigkeit durch verschiedene Faktoren wie z.B. der Integrität, des Wohlwollens bzw. der sozialen Orientierung als auch durch die vorhandenen Kompetenzen beeinflusst, welche wiederum mit der Vertrauensbereitschaft korrelieren. Interessant ist, dass vor allem die persönliche Kommunikation, die gemeinsame Zielerreichung, eine einheitliche Sprache und die Definition von Verbindlichkeiten sowie die Verlässlichkeit als maßgebende Aspekte des Vertrauensaufbaus angesehen werden. Dies verdeutlicht nochmals, dass es unabdingbar ist, dass Anfragen unmissverständlich gestellt, Zusagen verbindlich gegeben und Leistungen zielorientiert erbracht werden müssen. 

Zusammenfassung

Wie uns die 5 Lean Prinzipien gezeigt haben, ist der Fluss entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg eines Projekts. Damit ein Fluss entsteht, ist es notwendig, dass sich die Beteiligten Zusagen geben, welche unbedingt einzuhalten sind. Der Promise Cycle zeigt auf einfache Weise auf, wie die Zusageneinhaltung sichergestellt werden kann. Herauszustellen ist, 

  • dass die Aufgabe vom Kunden klar und eindeutig zu definieren ist, 
  • der Auftragnehmer die Hauptflüsse zu prüfen hat, bevor er eine Zusage gibt
  • die Zusage einzuhalten ist,
  • bei Problemen oder Unklarheiten unverzüglich eine Rückmeldung zu erfolgen hat und
  • ein gemeinsames Verständnis über die Leistung als solche sowie die Konditionen der Zufriedenheit (Conditions of Satisfaction) herrschen muss.

Zum Autor

Dr. René Huppertz ist Unternehmensberater mit der Spezialisierung auf Lean Management, Lean Construction und der Strategieentwicklung.