Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag beschreibt die Anforderungen und Qualitätskriterien für die Prozessharmonisierung in der Post Merger Integration. Es wurden 27 Qualitätskriterien auf Basis von Experteninterviews und Erkenntnissen aus der Literatur identifiziert, die sich nach Relevanz während des Projektes und nach der Prozessharmonisierung zur Beurteilung des Ergebnisses einteilen lassen. [1] 

Ein zentrales Ergebnis ist die Aufteilung der Qualitätskriterien in die Zielebenen der Integration nach Jansen (2008) nach strategischer, organisatorischer und administrativer, personeller, kultureller, operativer und externer Integration.

Keine Zwangsstandardisierung in der Prozessharmonisierung!

Die Prozessharmonisierung in der Post Merger Integrationsphase stellt fusionierte Unternehmen vor eine große Herausforderung. Dass Handlungsbedarf besteht, ist jedoch unbestritten. Unterschiedliche Unternehmenskulturen, kontroverse Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter und Führungskräfte sind in dieser Phase hohe Risikofaktoren. Die Organisationsstrukturen und Prozessabläufe müssen so definiert werden, dass sie von allen Mitarbeitern verstanden und mitgetragen werden [1].

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit Qualitätskriterien, mit denen der Erfolg einer Prozessharmonisierung gemessen werden kann. Die Qualitätskriterien (inkl. Checkliste) werden aus Interviews mit Experten aggregiert, die bereits eine Prozessharmonisierung begleiteten oder steuerten. Der Fokus liegt dabei auf Dienstleistungsunternehmen (vgl. Beitrag: Prozessharmonisierung in der Post Merger Integration – Die 27 Qualitätskriterien der Prozessharmonisierung [2])

Unter Prozessharmonisierung versteht man die Standardisierung von Geschäftsprozessen des Prozessmanagement und der Prozesssteuerung über unterschiedliche Organisationseinheiten und Standorte hinweg [3]. Dies bedeutet nicht, dass unterschiedliche Prozesse zwangsstandardisiert werden, die Prozessharmonisierung erlaubt die Definition von Varianten. Für die Prozessharmonisierung sind insbesondere die Integrationsansätze Symbiose (partielle Integration, zunehmende Verschmelzung der fusionierten Unternehmen) und Absorption (vollkommende Eingliederung) von Bedeutung, da bei Holding und Stand-alone keine oder lediglich marginale Integration beabsichtigt ist [4].

Experteninterviews: Best Practices versus Problemen und Blockaden bei der Prozessharmonisierung

Es wurde eine qualitative Analyse durch Experteninterviews mit anschließender qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring durchgeführt. Befragt wurden 12 Experten (33% Geschäftsführer/CEO/COO, 66% Qualitätsmanager) aus den Branchen Computer Software, Supplies & Services, Gesundheitsbranche, Unternehmensberatung, Anlagenbau, Behindertenwerkstätte und Mehrbranchendienstleister, die bereits aktiv eine Post-Merger-Integration begleiteten oder steuerten.

Zur Eruierung von Qualitätskriterien wurden die Experten nach Best Practices, Erwartungen und erhofften Benefits sowie aufgetretenen Problemen und Blockaden während der Prozessharmonisierung befragt. Die Fragen wurden offen gestellt, Mehrfachnennungen waren möglich.

Als erhoffte Benefits gaben die Experten vorwiegend Effizienzsteigerungen in den Prozessen an. Dazu gehört Prozessstabilität, Verschlankung der Prozesse, Messbarkeit der Prozesse, und geschulte Mitarbeiter. Außerdem erhofft man sich mehr Flexibilität durch die Möglichkeit Kapazitäten zu shiften, die durch einheitliche Prozesse möglich werden. Dies geht einher mit einer gesteigerten kulturellen Zufriedenheit (siehe Abbildung 1).

Als Best Practices bewährte sich insbesondere die Möglichkeit für separate Prozesse bei der Prozessharmonisierung (Nennung von 33% der Experten), genügend Zeit zum Aufbau für gegenseitiges Verständnis (25%), offene Kommunikation und eine detaillierte Planung mit Priorisierungen (je 17%) an (siehe Abbildung 2).

Grafik: Prozessharmonisierung 1

Abbildung 1: Angaben zu Erwartungen

Grafik: Prozessharmonisierung 2

Abbildung 2: Angaben zu Best Practices

Trotz den erhofften Benefits vereinheitlichter Prozesse begründeten die Experten die Best Practice mit Raum für separate Prozesse unter anderem damit, dass der Kunde keine Veränderung bemerkt. Auch der Bau aufwändiger Brücken durch begleitende IT-Systeme wurde als hinderlich angesehen. Die Experten unterscheiden klar zwischen standardisierbaren und nicht-standardisierbaren Prozessen.

Drei Experten halten es für sehr sinnvoll, dass sich die beiden Unternehmen zunächst kennenlernen, bevor die Integration stattfindet. Der Zeitraum reicht dabei von drei Monaten bis zwei Jahren, in denen das erwerbende Unternehmen das akquirierte Unternehmen „in Ruhe gelassen hat“ und sich gegenseitig kennenlernen konnte. Auch offene Kommunikation und eine detaillierte Integrationsplanung mit Priorisierungen wurden als positiv empfunden.

Als Erwartungen wurden insbesondere Effizienzsteigerungen genannt. Sowohl auf Prozessebene, als auch im Sinne von integrierten Managementsystemen mit Arbeitsschutz und Datensicherheit erhofft man sich durch die Prozessharmonisierung erhebliche Verbesserungen und Synergieeffekte durch die Betreuung aus einer Hand. Mit der einhergehenden Standardisierung der Prozesse können Kapazitäten gezielter eingesetzt werden, hier entstehen Synergieeffekte und eine insgesamt höhere Auslastung, die gerade in Dienstleistungsunternehmen eine große Rolle spielt. Zwei Experten erhofften sich eine Steigerung der kulturellen Zufriedenheit, die bei Übernahme durch einen Konzern oder größeres und wesentlich strukturierteres Unternehmen einhergehen kann.

Wir erreichen damit auch eine Form von kultureller Zufriedenheit. Wir haben hier die Situation, dass wir in der einen Firma sehr stark auch vom mittleren Management und unterer Ebene, Arbeitsebene auch Dinge als chaotisch empfunden werden. Da ist eine Prozessharmonisierung mit vielleicht eher professionelleren Prozessen ein wesentliches Element zur Verbesserung der Organisationskultur bis hin zu Employer Branding.

(…) es herrscht Chaos überall. Deswegen ist die Mehrzahl der Rückmeldungen eine sehr positive und die Hoffnung darauf, dass jetzt endlich professionelle Prozesse einkehren, wenn es ein Unternehmen aufkauft, das an der Börse notiert ist.

Zusätzlich wurden die Experten zu Problemen, Blockaden und Risiken befragt, die im Laufe der Prozessharmonisierung auftraten. 42% gaben Defizite in der Steuerung und Koordination an, gefolgt von Widerständen seitens der Mitarbeiter, Kommunikation, kulturelle Unterschiede und Zeitfaktor (vgl. Abbildung 3).

Defizite in der Steuerung und Koordination lagen an nicht klar geregelten Funktionen und Verantwortlichkeiten und somit unstimmiger Gesamtkoordination. Wiederholt wurde genannt, dass die Steuerung in einer Hand liegen muss. In einem Fall wurden zwei verschiedene externe Berater eingesetzt, die unabhängig voneinander an denselben Themen, jedoch mit unterschiedlicher Lösung und somit aneinander vorbei arbeiteten.

Grafik: Prozessharmonisierung 3

Abbildung 3: Blockaden und Probleme bei der Prozessharmonisierung

Qualitätskriterien als Checkliste

Die folgende Tabelle zeigt das Ergebnis der Experteninterviews aggregiert in Qualitätskriterien. Die ermittelten Qualitätskriterien sind den Integrationszielen von Jansen (2008) [vgl. 4].

Tabelle Prozessharmonisierung

Tabelle 1: Qualitätskriterien zur Beurteilung einer Prozessharmonisierung (Checkliste)

Mehr zum Thema und eine ausführliche Darstellung dieses Fachbeitrages finden Sie in der zfo – Zeit­schrift Füh­rung + Or­ga­ni­sa­ti­on: zfo Archiv

Zur Autorin

Portrait: Dr. Irene Schönreiter

Dr. Irene Schönreiter ist Head of Quality bei der expleo Group und berät seit mehreren Jahren Unternehmen bei der erfolgreichen Umsetzung diverser Projekte.

Anmerkungen, Quellen und Einzelnachweise

[1] vom Brocke, J., Schmiedel, T., Recker, J., Trkman, P., Mertens, W., Viaene, S.: Ten principles of good business process management. Bus. Process Manag. J. 20, 530–548 (2014).

[2] Schönreiter, I.: Prozessharmonisierung in der Post Merger Integration – Qualitätskriterien für den Integrationsprozess. zfo – Zeitschrift Führung + Organ. 86, 253–260 (2017).

[3] Jochem, R., Knothe, T.: FAQ – Prozessmanagement: 100 Fragen – 100 Antworten. Symposion, Düsseldorf (2014).

[4] Jansen, S.A.: Mergers & Acquisitions Unternehmensakquisitionen und -kooperationen ; eine strategische, organisatorische und kapitalmarkttheoretische Einführung. Gabler, Wiesbaden (2008).