Eigenverwaltung: Das Managament steuert die Insolvenz selbst!
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) die Eigenverwaltung in der Insolvenz deutlich gestärkt. Wenn es keine Anhaltspunkte gibt, dass es bei einer Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger kommt, dann soll das Gericht eine Eigenverwaltung anordnen. Das bedeutet, dass das Management des Unternehmens selbst die Insolvenz steuert. Das Gericht bestellt lediglich einen Sachwalter, der vergleichbar zu einem Aufsichtsrat, das Management überwacht.
Welche Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für eine erfolgreiche Unternehmenssanierung in Eigenverwaltung gibt es?
Eine erfolgreiche Eigenverwaltung setzt voraus, dass das Unternehmen von einem verantwortungsvollen Eigenverwalter vertreten wird, der über ausgewiesene Erfahrung in der Unternehmensinsolvenzverwaltung und Sanierung von Unternehmen verfügt. Das bedeutet, dass regelmäßig neben dem bisherigen Management eine weitere Person (der „Eigenverwalter“) eingebunden ist, um alle insolvenzspezifischen Aufgaben zu übernehmen.
Durch die Einbeziehung verschiedener Parteien (Eigenverwaltung, Sachwaltung, Management, Gericht etc.) entsteht eine höhere Komplexität als in einem regulären Insolvenzverfahren unter Fremdverwaltung. Das bedeutet, dass die Anordnung einer Eigenverwaltung nur dann sinnvoll ist, wenn die Unternehmen strukturell geeignet sind, neben der Fortführung des Geschäfts im (vorläufigen) Insolvenzverfahren trotz der damit verbundenen Belastungen, auch die Verwaltung der eigenen Insolvenzmasse ohne einen Insolvenzverwalter zu übernehmen. Dies ist bei kleineren Unternehmen ohne umfassende betriebswirtschaftliche und rechtliche Beratung praktisch ausgeschlossen.
In welchen Fällen ist Eigenverwaltung sinnvoll?
Regelmäßig ist eine Eigenverwaltung sinnvoll, wenn die Betriebsfortführung und die Sanierung des Unternehmens Ziele des Verfahrens sind. Auf subjektiver Ebene ist erforderlich, dass sich das Management rechtzeitig mit der Alternative des Insolvenzverfahrens und der Entschuldung auseinandergesetzt hat. Es ist für das Verfahren unerlässlich, dass die Entscheidungshoheit der Gläubigerorgane, der Verfahrensablauf und die Verwertungssystematik der Insolvenzordnung akzeptiert und unterstützt werden. Die gleichmäßige und bestmögliche Befriedigung der Gläubiger ist auch in der Eigenverwaltung oberstes Ziel der Insolvenzordnung und daher vom Management als Verfahrensziel voranzustellen.
Laufende strafrechtliche Ermittlungen gegen das Management sind regelmäßig ein Ausschlusskriterium für die Eigenverwaltung. Nachteile für die Gläubiger sind in der Regel zu erwarten, wenn konkrete Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Vorgänge mit Bezug auf das schuldnerische Unternehmen oder das Management vorliegen. Eine erfolgreiche Eigenverwaltung setzt großes Vertrauen der weiteren Beteiligten in die Redlichkeit des Schuldners oder des Managements voraus. Liegen Anhaltspunkte für Verfehlungen vor, wird dieses Vertrauen geschwächt sein.
Die Chancen für ein positives Verfahrensergebnis steigen bei jedem Insolvenzverfahren, wenn die Einleitung des Verfahrens professionell vorbereitet wird. Dies gilt besonders für ein Verfahren in Eigenverwaltung. Die Anforderungen der Insolvenzordnung, das darin vorgesehene Haftungsregime sowie die mit einem Insolvenzverfahren einhergehenden Formalien können durch insolvenzrechtliche Laien nicht erfüllt werden. Bereits bei Stellung des Insolvenzantrags sowie der Planung der Betriebsfortführung im (vorläufigen) Eigenverwaltungsverfahren ist regelmäßig rechtliche und betriebswirtschaftliche Beratung erforderlich. Es besteht sogar die Gefahr, dass der Eigenverwaltungsantrag durch das zuständige Amtsgericht abgelehnt wird. Beratung und Vorbereitung der Eigenverwaltung sind danach auszurichten, dass die Akzeptanz der Verfahrensart und der handelnden Personen bei möglichst sämtlichen Beteiligten erreicht wird.
Wie wird eine Eigenverwaltung beantragt und durchgeführt?
Ein idealtypischer Ablauf eines Eigenverwaltungsverfahrens erfolgt typischerweise mit einem Erstkontakt beim Amtsgericht. Hierbei ist die Sichtweise des Insolvenzgerichts auf die angestrebte Eigenverwaltung sowie auf bestehende rechtliche Fragen sowie auf die Person des Sachwalters zu eruieren. Auch die Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses wird besprochen.
Im Vorfeld des Antrages sind zudem die Gläubiger einzubeziehen. Bei der Bildung eines vorläufigen Gläubigerausschusses sind sämtliche relevante Gruppen anzusprechen, um die gesetzlich erforderliche Gläubigerrepräsentation im Gläubigerausschuss zu ermöglichen. Mit den potentiellen Mitgliedern des vorläufigen Gläubigerausschusses ist abzustimmen, ob der Antrag und die Anordnung einer Eigenverwaltung, die handelnden Personen im Management und in der Eigenverwaltung sowie die Person des (vorläufigen) Sachwalters Zustimmung finden. Die Ansprache sollte mithin regelmäßig erst kurz vor dem Insolvenzantrag, jedoch mit ausreichender Zeit zur Prüfung aufgeworfener Fragen für die potentiellen Ausschussmitglieder erfolgen.
Vor Antragstellung wird eine Liquiditätsplanung für das Antragsverfahren und das eröffnete Verfahren (i.d.R. für einen 6-Monats-Zeitraum) unter Insolvenzgesichtspunkten und eine verfahrensbezogene Ergebnisplanung aufgestellt. Die Planungen enthalten auch Angaben zu den voraussichtlichen Kosten des Verfahrens. Unmittelbar vor Antragstellung werden die ersten Maßnahmen vorbereitet (Insolvenzgeld, Anschreiben Gläubiger/Schuldner, Inventur, Buchhaltungsschnitt, Mitarbeiterinformation, externe Kommunikation etc.). Ziel ist es, alle unmittelbar nach Anordnung eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens zu treffenden Maßnahmen so vorzubereiten, dass ein möglichst reibungsloser Start ins Verfahren ermöglicht wird.
Ein erfolgreiches Eigenverwaltungsverfahren setzt voraus, dass auf Seiten des antragstellenden Unternehmens der Eigenverwalter als insolvenzkundige Person für den Sanierungsprozess verantwortlich ist. Diese Person nimmt in aller Regel eine Organstellung beim schuldnerischen Unternehmen ein und ergänzt mit seiner Expertise die bestehenden Vertretungsorgane. Sie ist der wesentliche Treiber der Sanierung im Eigenverwaltungsverfahren. Um diese Funktion sachgerecht ausfüllen zu können, muss der Eigenverwalter insolvenzrechtliche Expertise und Sanierungserfahrung vereinen. Er hat die strategische Hoheit über das Unternehmen sowie dessen Sanierung.
Welche Rolle und Verantwortung übernimmt der Eigenverwalter?
Der Eigenverwalter muss die insolvenzspezifischen Aufgaben nachweisbar persönlich bzw. durch sein qualifiziertes Team bewältigen können und die entsprechende einschlägige Erfahrung belegen. Er ist bei seinen Tätigkeiten dem Primat der Gläubigerinteressen verpflichtet. Seinem Verständnis nach vertritt der Eigenverwalter das Schuldnerunternehmen, richtet aber sein Handeln an den Interessen der Gläubiger aus. Wesentliche Aufgaben übernimmt er höchstpersönlich, wie grundlegende Entscheidungen zur Sanierung, Termine beim Insolvenzgericht, Teilnahme aus Gläubigerausschusssitzungen sowie die interne und externe Verfahrensleitung.
Die Person des Sachwalters ist eine vom Gericht bestellte, für den Einzelfall geeignete, geschäftskundige sowie neutrale Person. Regelmäßig wird sich der in Frage kommende Personenkreis aus den vor Ort gelisteten Insolvenzverwaltern rekrutieren, die bereits Erfahrungen als Sachwalter/Insolvenzverwalter vorweisen können. Wesentliche Kriterien für die Geeignetheit einer Person als Sachwalter sind seine Unabhängigkeit und das Vorhandensein von entsprechenden Strukturen und personellen Kapazitäten, um die Aufgabe des Sachwalters erfüllen zu können.
Kosten: Die Honorierung ist nicht im Gesetz geregelt!
Die Vergütung der Eigenverwaltung im Rahmen einer mit dem Unternehmen abzuschließenden Mandats- und Vergütungsvereinbarung muss geregelt werden. Typischerweise wird man sich dabei an den Regelungen der Insolvenzverwaltervergütung orientieren und die Gesamtvergütung des Sachwalters und des Eigenverwalters auf die Gesamtvergütung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters deckeln.
Über die im Verfahren erwarteten Kosten des Eigenverwalters und ggf. weiterer externer Berater soll frühzeitig Transparenz gegenüber dem Sachwalter und dem Gläubigerausschuss hergestellt werden. Dazu sind die Inhalte der abgeschlossenen Vergütungsvereinbarung offenzulegen sowie eine Kostenprognose und ein Vergleich zu den Kosten eines Insolvenzverfahrens in Fremdverwaltung zu erstellen.
Zum Autor
Dr. Stefan Weniger ist Partner und Geschäftsführer der Restrukturierungspartner jwt GmbH & Co. KG. Er hat langjährige Erfahrung in der Sanierungs- und Insolvenzberatung. Seine Kernkompetenzen liegen im Sanierungsmanagement und der -geschäftsführung. Im Rahmen von Eigenverwaltungsverfahren berät er nicht nur die Unternehmen, sondern übernimmt Organverantwortung als CRO und ist verantwortlich für die Umsetzung der Sanierung. Dr. Weniger veröffentlicht in diversen Fachzeitschriften und hat die Beiträge „Der Sanierungsgeschäftsführer“ („Modernes Sanierungsmanagement“, Vahlen) sowie „Die betriebswirtschaftlichen Entscheidungsgrundlagen einer Betriebsfortführung“ („Betriebsführung“, RWS Verlag) verfasst. Der Rechtsanwalt ist Sanierungsberater CMC/BDU und Vorstands- und Gründungsmitglied des Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e. V..