ChatGPT ist eine bahnbrechende Erfindung. Umso wichtiger, dass die deutsche Wirtschaft alte Digitalisierungsfehler nicht wiederholt. Dominik Matyka erklärt, wie der Mittelstand den KI-Durchbruch jetzt für sich nutzen muss.
Nein, dieser Text ist nicht von ChatGPT geschrieben worden. Das muss erwähnt werden in diesen Tagen, in denen so viele Menschen mit dem neuen Tool experimentieren. Ende November 2022 wurde der Chatbot der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zwei Monate später hat er die Marke von 100 Millionen Usern geknackt. Das Internet wird seitdem überflutet von Inhalten, die ChatGPT mithilfe künstlicher Intelligenz erstellt hat – vom Essay bis zum Heiratsantrag. Nie zuvor war eine neue disruptive Software so schnell so verbreitet. In dieser plötzlichen Allgegenwärtigkeit liegt eine große Chance. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland – und ganz besonders für den deutschen Mittelstand.
Dass Deutschland die Digitalisierung lange verschlafen hat, ist bekannt. Auch wenn in den vergangenen Jahren einiges aufgeholt wurde: Noch immer ist Deutschland digital allenfalls Durchschnitt – selbst im europäischen Vergleich. Im von der EU-Kommission herausgegebenen Digital Economy and Society Index steht die Bundesrepublik gerade mal auf Platz 13.
Insbesondere der deutsche Mittelstand – gern gepriesenes Rückgrat der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt – hinkt in vielen Bereichen hinterher. Angefangen bei einfachen Grundlagen wie einer vernünftigen Suchmaschinenoptimierung oder einer für Mobilgeräte optimierten Website. Während die Finanz-, Telekommunikations- und Autobranche hierzulande im Digitalisierungsgrad recht weit ist, haben etwa Konsumgüterindustrie und klassischer Handel weiter großen Nachholbedarf.
KI lernt sprechen und wird zugänglich für alle
Noch heute regiert in der deutschen Wirtschaft vielerorts das Dogma des Defensiven, ein Fokus auf Risiko-Vermeidung. Es fehlt nicht an technischer Versiertheit oder am Fleiß, sehr wohl aber am Mut. Und etwas Neuem steht man oft eher skeptisch gegenüber. Bei ChatGPT ist das anders. Deshalb steckt in dieser Innovation so viel Potenzial.
ChatGPT bringt die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) auf eine extrem zugängliche Benutzeroberfläche – es zu verwenden ist so leicht wie zu googlen. ChatGPT ist so populär, weil es das menschlichste Kommunikationsmittel überhaupt nutzt: Sprache. Man tippt ein Anliegen oder eine Frage ein und bekommt eine Antwort. Bislang konnten Computer nur sehr holprig Sprache generieren. Jetzt schreibt die KI auf Wunsch Gedichte oder löst Rätsel. Und jeder kann es auf dem eigenen Computer ausprobieren.
ChatGPT als Türöffner für Innovationen
Die schöpferische Kraft dieser sogenannten generativen Künstlichen Intelligenz ist damit greifbar. Bislang mussten Fürsprecher von innovativen Technologien innerhalb von Unternehmen viel Erklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten, warum das jeweilige Investment und Commitment sinnvoll ist. Bei ChatGPT ist das nicht nötig. Dieses Tool verstehen alle, vom Vorstand bis zum Pförtner. Es erreicht auch analog denkende Menschen – und ist damit der perfekte Brückenkopf, um in Unternehmen ein Verständnis für die Wirkmacht neuer Technologien zu etablieren.
Künstliche Intelligenz ist jetzt massentauglich. Microsoft investiert 10 Mrd. Dollar in OpenAI, das Unternehmen hinter ChatGPT. Wettbewerber wie Google reagieren bereits hektisch mit eigenen Offensiven. Der Hype beschränkt sich nicht auf die Techwelt. Unabhängig von Markt und Branche muss sich jedes halbwegs wachsame Unternehmen fragen, in welchen Bereichen Künstliche Intelligenz das eigene Business auf welche Weise voranbringen kann. Denn die Konkurrenz wird es sicher tun.
Was der deutsche Mittelstand jetzt tun sollte
Ein klassischer deutscher Mittelständler etwa, der sich dem Thema nähern will, kann das mit einigen einfachen Schritten tun: Falls nicht längst geschehen, gilt es zunächst, einen Chief Digital Officer bzw. Digitalverantwortlichen zu benennen. Danach sollte eine klare Strategie definiert werden, die nicht gleich eine umfassende Transformation vorsehen muss. Pilotprojekte in unkritischen Teilbereichen reichen für den Anfang. Diese Pilotprojekte bergen erst mal wenig Gefahren, können aber Rückenwind für interne Prozesse und Denkweisen bringen – und damit mittelfristig die Saat für eine umfassende Transformation bilden.
Ein naheliegender Startpunkt für den Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz ist zum Beispiel das Marketing. ChatGPT kann hier Aufgaben wie Brainstorming, Recherche und Content-Erstellung übernehmen. Schon in seiner jetzigen Version eignet es sich als Inspirationsquelle oder Schreibhilfe für Newsletter, Mailings oder Social-Media-Posts – Marketingkanäle, die viele Mittelständler bislang noch stiefmütterlich behandeln.
Die große Stärke von generativer KI liegt darin, dass sie mit allen Formen von unstrukturierten Daten umgehen kann. Sie kann Informationen sammeln, sortieren, kombinieren und darin Muster erkennen – und aus diesem Wissen neue Inhalte erschaffen. Vereinfacht gesagt befindet sich KI damit aktuell etwa auf dem Fertigkeitslevel eines pfiffigen Praktikanten.
Mit dem Unterschied, dass es skalierbar ist: Die Software kann beispielsweise innerhalb von Sekunden aus zehntausenden Dokumenten alle Argumente für Windenergie in Norddeutschland destillieren. Oder auf Basis von Kundendaten und Tracking Produktempfehlungen aussprechen. Mit besseren Entscheidungsvorlagen für Marketing, Logistik, Produktion oder Recruiting kann KI schon heute einen echten Mehrwert liefern.
Es gibt Alternativen zu ChatGPT
Wer mit den Möglichkeiten von generativer KI experimentieren will, ist dabei übrigens nicht auf ChatGPT angewiesen. Es gibt Alternativen zu dem Tool aus San Francisco – auch deutsche: Das Heidelberger Start-up Aleph Alpha bietet seine KI-Sprachmodelle seit Mitte vergangenen Jahres zur kommerziellen Nutzung an. Und in der KI-Wissenschaft ist Deutschland bislang durchaus mitführend. Es wäre für die ökonomische Zukunftsfähigkeit der Bundesrepublik wünschenswert, wenn das bald auch für die Wirtschaft gelten würde.
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