Künstliche Intelligenz (KI) als wesentlicher Teil der Energiewende, als Unterstützung für Ärzte oder Ärztinnen oder SachbearbeiterInnen der Versicherungsbranche: Das sind nur einige Schlagzeilen der letzten Wochen, die über den Einsatz von KI in der Praxis berichten.

Weltweit fragen sich Unternehmen, welchen Beitrag sie bei der Automatisierung ihrer betrieblichen Prozesse, der Unterstützung von Entscheidungsprozessen oder der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle leisten können. Dass es sich jedenfalls auszahlt, da ist sich eine Mehrheit sicher.

In einer aktuellen Umfrage ist eine Mehrheit der befragten Entscheider und Entscheiderinnen in Deutschland davon überzeugt, dass der Einsatz von KI in den nächsten Jahren in ihren Geschäftsbereichen zu Wettbewerbsvorteilen führt.

Auf der anderen Seite meinen aber auch drei Viertel, dass die Technologie erst in den Anfängen steckt und ihr Potenzial nicht ausgeschöpft wird. Mehr als die Hälfte der Befragten sieht ihr Land beim Thema KI schlecht bis mittelmäßig aufgestellt. Die Gründe dafür variieren von Branche zu Branche, aber generell stechen drei Aspekte hervor, die der breiten Akzeptanz von KI in Unternehmen entgegenstehen:

Identifizieren von Use Cases

Das Verständnis über die Möglichkeiten von KI in den jeweiligen Geschäftszweigen muss gegeben sein. Mangelnde Identifizierung von Prozessen in potenziellen Anwendungsgebieten verhindert die technologische Adoption.

Technische Grundlagen der KI-Entwicklung

Von der Datensammlung und Aufbereitung bis hin zur Auswahl von Algorithmen und Modellen ist die Integration von KI-Modellen in den Geschäftsalltag komplex und verlangt substanziellen Input an zeitlichen und finanziellen Ressourcen.

Fachkräftemangel

Die Implementierung von KI-Projekten erfordert IT-Fachpersonal mit vielfältigem Skillset. Bei vielen Unternehmen zählt die Rekrutierung von neuen Mitarbeitenden zu den größten Herausforderungen der kommenden Jahre.

Low-Code – ein unbekanntes Wesen?

Am anderen Ende des Bekanntheitsspektrums stehen Low-Code-Plattformen. Deren Konzept hatte zwar bereits 1982 in James Martins Buch „Application Development Without Programmers“ den ersten Auftritt, fristete aber bis vor wenigen Jahren aus verschiedensten Gründen nur ein Schattendasein. Zu groß waren die Schwierigkeiten aufgrund von Security-Vorgaben, Governance und durch fehlende klassische Entwicklungsfeatures für Testing, Versionierung und Deployment.

Das Low-Code-Paradigma besagt, die Entwicklung und Erstellung von Applikationen soll auch Mitarbeitenden mit geringen bis zu keinen Coding-Erfahrungen – sogenannten „Citizen Developers“ – zugänglich gemacht werden. Je nach IT-Affinität besteht so die Chance, Bedürfnisse der Fachabteilungen selbstständig und direkt umzusetzen oder in den Applikationen mitzugestalten, ohne auf Kapazitäten der IT-Abteilung angewiesen zu sein.

Oberfläche der Low-Code-Plattform Microsoft Power Apps.
Oberfläche der Low-Code-Plattform Microsoft Power Apps.(Bild: adesso Austria / Microsoft)

Eine neue cloud- und webbasierte Generation an Anbietern wie Microsoft (Power Platform), OutSystems, Simplifier oder Mendix nutzte die vergangenen Jahre zur Überwindung der Barrieren aus der Frühzeit und bieten mit ihren flexiblen und modularen Anwendungen nach dem Baukastenprinzip eine gute Möglichkeit, langfristige, kostenintensive Entwicklungsprozesse zu vermeiden.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass es Überschneidungen zwischen den Herausforderungen der KI-Adoption als auch herkömmlicher IT-Applikationsentwicklung gibt. Naturgemäß haben das auch die Anbieter von Low-Code-Plattformen erkannt und begonnen, KI-Funktionen bereitzustellen, um Unternehmen einen niederschwelligen Zugang für den Eintritt in die Welt der Künstlichen Intelligenz zu ermöglichen.

Die Rolle von Low-Code bei der Adaption von KI

Die in der heutigen Low-Code-Entwicklung verbreiteten Tools wie Drag- and Drop-Baukastenmechanik und grafische Businesslogikmodellierung, lösen die eingangs erwähnten Schwierigkeiten einer klassischen KI-Integration. Da die zugrundeliegenden technischen Architekturen durch die Bereitstellung über die Low-Code-Plattformen soweit abstrahiert und automatisiert sind, wird KI einfach zu bedienen und für viele nutzbar.

Die Integration erfolgt über vorgefertigte KI-Komponenten der Plattformen, die für verschiedene Geschäftsszenarien konzipiert sind und wesentliche Industriestandards und Systemschnittstellen unterstützen. User bekommen so die Möglichkeit, mit wenigen Klicks klassische KI-Modelle wie Bilderkennung, Vorhersagen oder Klassifikationen zu nutzen – ohne zeitaufwändige Datenaufbereitung, Algorithmus-Design und Modell-Training mit tausenden Datenpunkten.

Hier eröffnet sich speziell für kleine und mittelständische Unternehmen die Chance, über die Kombination beider Technologiewelten rasch Projekte zu realisieren und mit wenig Zeit- und Ressourcenaufwand erste Schritte zur KI-Adoption zu tätigen. Da erste lauffähige MVP-Versionen durch den Low-Code-Ansatz schnell erstellt sind, kann bereits frühzeitig auf Anwendungs-Feedback zurückgegriffen werden.

Welche Anwendungsfälle können als Einstiegspunkte dienen?

Nicht immer muss sofort das gesamte Unternehmen auf den Kopf gestellt werden. Im Wesentlichen empfiehlt es sich, mit kleineren Projekten zu starten und erst nach erfolgreichen Umsetzungen und mit der Akzeptanz der Fachbereiche weiter zu skalieren.

Im Folgenden finden sich zwei Proof of Concepts (PoCs), die innerhalb weniger Tage entwickelt wurden. Sie orientieren sich an typischen Problemstellungen die Unternehmen beschäftigen und können als Einstiegspunkte ins Thema dienen.

1. Spesenabrechnung basierend auf KI-Formularverarbeitung

Viele werden es kennen: Die mehrtägige Dienstreise ist vorbei und nach der Rückkehr ins Büro müssen die angefallenen Ausgaben nun in ein Formular eingetragen werden. Das Dokument samt Originalbelegen braucht dann möglicherweise noch die Freigabe der Führungskraft, bevor es schließlich an die Buchhaltung übergeben wird. Ein zeitaufwändiger, papiergetriebener Prozess, den eine Low-Code-App sowie das vorgefertigte KI-Formularverarbeitungsmodell der Microsoft Power Platform-Funktion „AI Builder“ vereinfachen können.

Die App ermöglicht es, neue Spesenabrechnungen zeitsparend zu erstellen. Ein – in diesem Fall mit wenigen Supermarktrechnungen trainiertes – KI-Modell extrahiert die für den Buchhaltungsprozess benötigten Daten (zum Beispiel Summe, Rechnungsdatum etc.) aus einem Foto der Rechnung. Ein Power Automate Flow verarbeitet den Spesengenehmigungsprozess automatisiert im Hintergrund und meldet zurück, ob die Abrechnung vom Vorgesetzten genehmigt wurde.

Die vorgestellte Anwendung kann mit wenigen Schritten auch um die Vorgänge in der Buchhaltung ergänzt werden. Dies kann so weit gehen, dass die Abrechnung der Spesen direkt und (teil-)automatisiert zu klassischen ERP-Systemen wie SAP weitergeleitet wird.https://www.youtube.com/embed/pv_VUA1D8Bw

Low-Code + KI + RPA = Intelligente Prozessautomatisierung?

In den vergangenen Jahren gewann auch der Begriff „Robotic Process Automation“ (RPA) an Bedeutung. Die Technologie dahinter hilft, manuelle, repetitive, zeitaufwendige und fehleranfällige Tätigkeiten in Unternehmen durch den Einsatz sogenannter Software-Roboter zu automatisieren.

Auf das Low-Code-Konzept mit seiner Drag and Drop-Baukastenmechanik setzen auch viele Anbieter von RPA-Software. In Kombination mit der Integration von Techniken des KI-Spektrums wurzelte aus dieser Begriffsmelange der mittlerweile gängige Begriff der „Intelligenten Prozessautomatisierung“.

2. Automatisierte Verbuchung von Rechnungen in SAP mit UiPath

Viele Unternehmen sind mit einer Vielzahl an monatlich wiederkehrenden Rechnungen in unterschiedlichen Formaten aus verschiedenen Quellen konfrontiert, die in ihren Systemen verbucht werden müssen. Für die Bearbeitung jeder Rechnung benötigt es viele manuelle, arbeitsintensive Schritte.

Mitarbeitende müssen E-Mails mit Rechnungen im Anhang öffnen, den Kreditor in den Systemen finden, manuell Daten aus der Rechnung extrahieren, um sie zu erfassen und schließlich zu verbuchen. Bei einer durchschnittlichen Bearbeitungszeit von fünf Minuten pro Rechnung, ergibt sich bei 250 monatlichen Rechnungen eine Gesamtdauer von rund 21 Stunden für die Bearbeitung.

Workflow – Verbuchung von Rechnungen in SAP mit UiPath.
Workflow – Verbuchung von Rechnungen in SAP mit UiPath.(Bild: adesso Austria)

Durch den Einsatz der Low-Code-RPA-Plattform UiPath und des darin enthaltenen UiPath KI-Frameworks „Document Understanding“ reduziert sich die Rechnungsverarbeitung auf weniger als eine Minute. Die Automatisierungs-effizienz bei gleichzeitig geringer Fehlerquote führt insgesamt zu einer verbesserten Verarbeitungsqualität.

Fazit

Dieser Artikel zeigte die positiven Auswirkungen durch Low-Code- und RPA-Plattformen auf die Adaption von KI in Unternehmen. Das Zusammenspiel dieser Technologien in der Softwareentwicklung und Prozessautomatisierung verspricht mehr Flexibilität und Agilität.

Dr. Zeljko Dzunic
(Bild: adesso SE)

Gerade durch die Zeitersparnis und die Möglichkeit, Experten aus sämtlichen Fachabteilungen in die Anwendungsentwicklung miteinzubeziehen, kann Low-Code zu einem Katalysator für den Ausbau von KI in Unternehmen jeglicher Größe werden.

* Dr. Zeljko Dzunic ist Senior Consultant beim IT- und Beratungsdienstleister adesso Austria. Sein Beratungsschwerpunkt liegt auf der Promotion, Unterstützung und Entwicklung von KI-Anwendungen in verschiedenen Geschäftsbereichen und KI-basierten intelligenten Low-Code-Lösungen. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit dem KI-Einsatz in der robotergestützten Prozessautomatisierung.

Matthias Proschinger
(Bild: adesso SE)

Matthias Proschinger ist Associate Consultant beim IT- und Beratungsdienstleister adesso Austria. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf dem Thema Low-Code und Prozessautomatisierung. In den letzten Jahren sammelte er einschlägige Erfahrung im Finanzdienstleistungsbereich und verfasste seine Master-Arbeit über das Thema KI-Vorhersagen zum Erfolg von Studierenden.

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