Cloud statt Aktenschrank, Online-Meeting statt Geschäftsreise, Bestellungen und Rechnungsversand über Kundenportale statt per Brief und Fax: Die Digitalisierung betrifft in Unternehmen immer auch die interne Organisation und die eigenen Geschäftsprozesse, die auf diese Weise effizienter werden – und die die Voraussetzung dafür bilden, neue Produkte und Dienstleistungen an den Markt zu bringen und sich an ein sich wandelndes Wettbewerbsumfeld anzupassen. Ein Geschäftsprozess wird definiert als „ein Satz zusammenhängender oder sich gegenseitig beeinflussender Tätigkeiten, welcher Eingaben zum Erzielen eines vorgesehenen Ergebnisses verwendet“ (DIN EN ISO 9000:2015). Ziel eines Geschäftsprozesses ist damit die Steigerung der Wertschöpfung.

Wie sieht aber eigentlich ein guter digitaler Geschäftsprozess aus? Der Arbeitskreis »Digitale Geschäftsprozesse« im Bitkom hat diese Frage zum Anlass genommen, sich mit dem aktuellen Thema in einem Expertengremium auseinanderzusetzen. Das Ergebnis ist ein branchenübergreifend gültiges Reifegrademodell, bei dem der Praxisnutzen im Vordergrund steht. Der erarbeitete Ansatz erlaubt es, mit überschaubarem Aufwand – ausgehend vom Nutzer – den momentan erlebten Reifegrad hinsichtlich der Digitalisierung von Prozessen zu bewerten. Inhaltlich basiert das Reifegradmodell sowohl auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, als auch auf Expertenwissen. Das Vorgehen stellt die praktische Anwendbarkeit des Modells durch konkrete Erfahrung in Prozessmanagement- und Digitalisierungsprojekten sicher.

Dimensionen und Kriterien

Im „Reifegradmodell Digitale Geschäftsprozesse“ werden die vier Themenfelder Technologie, Daten, Qualität und Organisation eines bestimmten Prozesses untersucht, die durch je drei Kriterien mit je zwei Fragestellungen konkretisiert werden.

Spinnennetz Reifegradmodelle
  • Technologie: In dieser Dimension werden drei Kriterien betrachtet. Die „Technologiebasis“ gibt darüber Auskunft, ob die In- und Output-Kanäle analog, bspw. papierbasiert oder digitalisiert sind. Das Kriterium „Prozesstools“ bewertet, inwieweit Digitalisierungswerkzeuge im Prozess eingesetzt werden. „Systemintegration“ bewertet, in welcher Qualität die technischen Lösungen miteinander verbunden sind.
  • Daten: Hier werden die „Datenerhebung“, „Datenbereitstellung“ und „Datenverwendung“ als Kriterien analysiert. Dabei wird in einem ersten Schritt bewertet, ob die Datenbasis eine weitreichende digitale Nutzung zulässt. Anschließend wird geprüft, ob diese aufbereitet werden, sodass Daten z. B. in Form von Auswertungen dargestellt werden können. Abschließend wird unter Datenverwendung betrachtet, ob Daten auch für komplexe Operationen wie Analytics oder Business Intelligence – im Kontext von Prozessen auch Process Mining – verwendet werden können. Letzteres spiegelt in Teilen auch eine prozessexterne Verwendung der Daten wider.
  • Qualität: Die Kategorie “Qualität” bewertet den Prozess selbst. Wenn ein schlechter Prozess digitalisiert wird, resultiert daraus ein schlechter digitaler Prozess. Daher fließt an dieser Stelle die Prozessqualität in das Reifegradmodell ein. Zum Beispiel ist dafür eine Prozessbeschreibung notwendig, auf Basis die Qualität des eigentlichen Prozesses analysiert wird. Ebenso wird die Ausführung des Prozesses bewertet, beispielsweise sind Transparenz, eine niedrige Fehlerquote und ein hoher Automatisierungsgrad Indikatoren für einen gut ausgeführten Prozess. Für die Digitalisierung von Prozessen spielt auch die Informationssicherheit und der Datenschutz eine zentrale Rolle, daher wird dies als drittes Kriterium „Prozesssicherheit“ berücksichtigt.
  • Organisation: In dieser Dimension werden die organisatorischen Rahmenbedingungen in das Modell aufgenommen. Hier wird beispielsweise analysiert, ob der Prozess kompatibel zur Digitalisierungsstrategie des Unternehmens ist. Darüber hinaus sollte gewährleistet sein, dass alle Prozessbeteiligen die notwendigen Kompetenzen zur Prozessdurchführung aufweisen und Prozessbeteiligte durch organisatorisches Change Management kontinuierlich in Veränderungsprozesse eingebunden sind.
  • Um das branchenübergreifend nutzbare Modell im spezifischen Kontext einsetzen zu können, müssen die Bewertungskriterien von der beschriebenen Metaebene auf eine Operationalisierungsebene heruntergebrochen werden (vgl. die folgende Abbildung für weitere Details zur Beschreibung der Dimensionen, Kriterien und Bewertungsstufen).

Tabelle Reifegradprozesse

bitkom bietet Anwendung und Dokumente zum Reifegradmodell

Die Anwendungsmöglichkeiten des „Reifegradmodells Digitale Geschäftsprozesse“ sind vielfältig. Um einen Einblick zu liefern und Beispiele für die Adaption des Reifegradmodells zu erläutern, wurde der Ansatz durch Mitglieder des Expertengremiums verprobt. Diese Erfahrungsberichte sind ebenfalls Teil des Leitfadens, der unter folgendem Link heruntergeladen werden kann:

Download Leitfaden: “Reifegradmodell Digitale Geschäftsprozesse”

Um die Niedrigschwelligkeit des Ansatzes zu betonen, hat die Projektgruppe eine Checkliste als Excel-Datei angerfertigt, die je nach individuellen Organisationsbedürfnissen flexibel angepasst werden kann.

Download Checkliste: “Reifegradmodell Digitale Geschäftsprozesse”

Sollte Bedarf für einen Austausch und Einordnung der Ergebnisse bestehen, stehen die Mitglieder der Projektgruppe »Reifegradmodell Digitale Geschäftsprozesse« im Bitkom Arbeitskreis Digitale Geschäftsprozesse gerne zur Verfügung.