Der Kunde ist Zentrum verschiedener vernetzter Kanäle und möchte von effektiven End-to-end Prozessen profitieren. Die Erwartungen an die Bank verändern die klassischen Abläufe stark. Gepaart mit anderen Faktoren müssen Banken flexibel und agil auf Prozessveränderungen reagieren, was durch ein zentral verankertes Prozessmanagement nur schwer möglich ist. Die Antwort kann ein agiles Prozessmanagement bieten.

Umdenken auf organisatorischer Ebene gefordert

Als wesentlichen Erfolgsfaktor haben viele Banken agiles Prozessmanagement für sich entdeckt. Dadurch können sie schnell auf sich verändernde Kundenanforderungen reagieren, ohne die dabei deren Perspektive und Bedürfnisse aus dem Auge zu verlieren. Allerdings bedeutet das für den Großteil der Banken eine wesentliche Veränderung – nicht nur strukturell sondern auch kulturell.

In Regionalbanken beispielsweise ist ein Mitarbeiter neben seiner eigentlichen Tätigkeit in der Ablauforganisation auch mit der Thematik Prozessoptimierung vertraut. Allerdings ist dieser Mitarbeiter eher der „Feuerwehrmann“ und befasst sich in Notfällen mit den Prozessen. Besonders dann, wenn etwas nicht läuft. Zusätzlich wird er aktiv, wenn es Änderungen in betrieblichen oder gesetzlichen Regelungen gibt.

Mitarbeiter im Bankwesen nicht ausreichend geschult

Es zeigt sich deutlich, dass hier weniger systematisch vorgegangen wird. Der betreuende Mitarbeiter ist zwar „technisch fit“ und kann Prozesse administrieren. Kommt es zu tiefgreifenden Fragen zu den jeweiligen Prozessen wird meistens lediglich auf die Prozessbeschreibung verwiesen. Prozessoptimierungsanstöße durch Mitarbeiter werden – nach ausführlicher Prüfung – zwar technisch umgesetzt. Meist werden dazu aber langandauernde Veränderungsprojekte angestoßen.

Diese Vorgehensweise erlaubt keine ganzheitliche End-to-end Optimierung. Der zuständige Mitarbeiter hat dafür weder die fachliche Qualifikation, noch die Zeit konsequent Prozessoptimierungen durchzuführen. Es empfiehlt sich daher ein systematisches Prozessmanagement einzuführen. Dabei müssen alle Verantwortlichkeiten geklärt und eine regelmäßige Analyse der Prozesse vorausgesetzt sein.

Thematische Cluster in der Prozesslandkarte

Der erste Schritt hierzu ist die Einführung einer ganzheitlichen Prozesslandkarte. Diese strukturiert die Einzelprozesse auf Gesamtbankebene. Die einzelnen Prozesse werden sinnvoll zu thematischen Prozessclustern zugeordnet. Die jeweiligen Cluster sind so gewählt, dass dadurch mehrere Themen zusammenfassen, die inhaltlich gleich sind. Diese Verteilung reduziert die Komplexität der Prozesse. Beim clustern gilt das Motto: so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Als praktikabel haben sich fünf bis zehn Cluster mit ca. 50 bis 100 Prozesse erwiesen. Ein konkretes Beispiel hierfür ist das Cluster „Onlinebanking/Karte“ (Abbildung 1). Beide beschäftigen sich inhaltlich mit der Verwaltung von Konten durch den Kunden.

agiles Prozessmanagement im Bankwesen

Abbildung 1: Prozesslandkarte am Beispiel Bank. Quelle: bankinghub.de

Klare Verantwortlichkeiten für Cluster zuordnen

Nachdem die Cluster definiert wurden, werden diese mit Verantwortlichkeiten belegt. Für jedes einzelne Cluster wird ein Team bestimmt, dass die Verantwortung für die dazugehörigen Prozesse hat. Das Team ist interdisziplinär und fachübergreifend besetzt. Das garantiert einen ganzheitlichen Blick auf die Prozesse. Das Team setzt sich wie folgt zusammen:

  • Prozessorganisator: Kommt aus dem Bereich Organisationsentwicklung. Bringt die nötige methodische Kompetenz mit. Ist verantwortlich für die Prozessgestaltung. Er kennt die geltenden Standards und ist Treiberinstanz für die kontinuierliche Verbesserung der Prozesse.
  • Prozessverantwortlicher (Markt):Hat die fachliche Verantwortung für das Cluster. Er fördert die Optimierung des Prozesses aus Kundensicht.
  • Prozessverantwortlicher (Marktfolge):Er hat die fachliche und regulatorische Verantwortung im Prozessteam.

Alle Teammitglieder sind gleichberechtigt

Das Ziel der fachübergreifenden Arbeit ist die kontinuierliche Prozessoptimierung. Dafür trägt das zugewiesene Team die Verantwortung. Es werden daher regelmäßige und strukturierte Überprüfung der bestehenden Prozesse durchgeführt. Zudem ist das Team Ansprechpartner für alle Mitarbeiter und Führungskräfte der Bank und initiieren Schulungen. Dazu gehört auch die Information der Mitarbeiter bei einem Releasewechsel.

Die Aufgaben sind auf alle Mitglieder des Prozessteams gleichermaßen verteilt. Entscheidungen werden zusammen getroffen, die Verantwortung der Ergebnisse wird gemeinsam getragen. Es herrschen flache Hierarchien, um das eigenständige und agile Arbeiten in der Matrixorganisation zu gewährleisten.

Das Prozessteam führt sich weitestgehend selbst

Prozessteams unterliegen keiner organisatorischen Vorgabe. Sie terminieren ihre Treffen selbstbestimmt. Das kann bedeuten, dass sich ein Team wöchentlich per Videotelefonie, ein anderes monatlich im Konferenzzimmer trifft. Das Reduzieren der Vorgaben fördert den Netzwerkgedanken und hält die Agilität hoch. So können dauerhafte Veränderungsprozesse gewährleistet werden. Lediglich bei Überschneidung verschiedener Zuständigkeiten ist eine Abstimmung zwischen zwei oder mehreren Teams erforderlich.

Neben der Art und Weise, wie Meetings geführt werden, werden die Prozessteams mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Alle Änderungen innerhalb der Zuständigkeit werden autark und selbstständig durchgeführt und umgesetzt. Das sichert eine hohe gestalterische Freiheit. Trotzdem sollte der Kundenfokus nicht außer Acht gelassen werden. Erst wenn der Fall eintritt, dass Anpassungen in den Prozessen wesentliche Auswirkungen auf die Gesamtstrategie der Bank haben, wird der Prozessmanager oder Vorstand hinzugezogen.

Der Prozessmanager hält die strategische Verantwortung aller Prozesse der Bank inne. In der Hierarchie steht er somit direkt unter dem Vorstand. Er verantwortet das Prozesscontrolling und die Umsetzung der geschäftspolitischen Ziele durch die Prozesse. Bei Unstimmigkeiten in den Prozessteams kann er zudem als Schlichter fungieren.

Agiles Prozessmanagement bedeutet, dass die Last auf von wenigen auf mehrere Schultern verteilt wird. Das gewährleistet eine flexible Reaktion auf veränderte Kundenanforderungen und führt dazu Verbesserungen und Innovationen dauerhaft umzusetzen.