Die digitale Disruption durchdringt die Unternehmenslandschaft und verändert lang etablierte Geschäftspraktiken und -vorstellungen teilweise drastisch. Die digitale Transformation schafft jedoch nicht nur neue Effizienzen, Chancen und ganze Märkte, sondern hat auch eine Reihe von Mythen und Missverständnissen hervorgebracht. Diese modernen Märchen können, wenn Unternehmensentscheider ihnen Glauben schenken, eine digitale Disruptions-Initiative maßgeblich verzögern oder diese vollständig zum Erliegen bringen.
Wie gut sind Sie darin, Fakt und Fiktion in Sachen digitale Disruption voneinander zu unterscheiden? Wenn Sie einem der folgenden sieben Mythen verfallen sind, sollten Sie sich auf größere, strategische Schwierigkeiten einstellen.
1. Digital Disruption ist eine Technologiefrage
Digitale Disruption sollte einer Geschäftsstrategie dienlich sein. In dieser Beziehung rein technologisch zu denken, könne Unternehmen unnötigerweise viel Zeit und Geld kosten, meint Bryan Throckmorton, Spezialist für digitale Transformation und Strategien bei der Unternehmensberatung Protiviti: “Es ist gefährlich, sich auf die Technologie zu fokussieren und dabei gleichzeitig den kommerziellen Nutzen zu vernachlässigen oder gar zu ignorieren. Dies kann dazu führen, dass Investitionen in Projekte fließen, die bestenfalls einen losen Bezug zum Geschäftswert haben. Mit neuen Technologien zu experimentieren, ist zwar eine gute Sache – aber wenn Sie schon den Aufwand betreiben, sollten Sie auch die richtigen Stakeholder von Beginn an einbinden, um Ihre Innovationsbemühungen direkt mit den Geschäftszielen zu verknüpfen.”
Der Schlüssel zum digitalen Disruptionserfolg, so Throckmorton, liege darin, sich auf einen bestimmten Geschäftsbereich zu konzentrieren, der das Unternehmen wirklich von der Konkurrenz abhebt: “Wenn Sie diesen Bereich finden, werden Ihre digitalen Initiativen im Dienste Ihrer Strategie stehen und Sie werden ein besseres Verständnis darüber entwickeln, wie die Technologien Ihre Strategie beeinflussen können.”
2. Digital Disruption ist Allheilmittel
Es gibt keine Patentrezepte für die digitale Transformation – meint auch Todd Lohr, Principal und Practice Leader beim Beratungsunternehmen KPMG: “Organisationen messen ihren Erfolg allzu oft an der Implementierung einer disruptiven Technologie – KI, IoT, Blockchain, etc. – und glauben, dass das reicht, um gute Ergebnisse zu erzielen. Das ist jedoch nur selten der Fall.”
Technologie sollte nur ein Teil einer digitalen Disruptionsstrategie sein, meint Lohr und empfiehlt Entscheidern, sich auf Veränderungen der Geschäfts- und Betriebsmodelle zu konzentrieren. Um positive Ergebnisse zu erzielen, rät der Experte, eine zukunftsorientierte Sicht auf das Unternehmen und seine verschiedenen Betriebsmodelle einzunehmen und diese mit einer integrierten Architektur zu kombinieren: “Diese Architektur wird oft eine Reihe von Technologien umfassen. Außerdem sollten Sie nicht aus den Augen verlieren, wie sich der Change auf die Mitarbeiter auswirkt und während des gesamten Programms in Change Management investieren.”
3. Digital Disruption heißt “alles neu”
In einer Zeit, in der die Transformation von Unternehmen vor allem schnell und agil ablaufen muss, kann ein pauschaler Ansatz zur digitalen Disruption überwältigend sein und unrealistisch wirken. “Es kann auch dazu führen, dass ‘neue Dinge’ dann auf die alte Art und Weise gemacht werden. Das sehe ich oft, wenn Unternehmen alles über den Haufen werfen”, erklärt Andi Mann, CTO beim Videoplattformanbieter Qumu.
Eine realistischere Herangehensweise an die digitale Disruption, so Mann, sei es, Möglichkeiten zur Innovation und Rationalisierung bestehender Funktionen zu schaffen: “Sie können Ihr Business tiefgreifend verändern, indem Sie vorhandene Fähigkeiten weiterentwickeln und in Sachen Workflows innovieren.”
4. Digital Disruption ist eine notwendige Reaktion
Unternehmen befürchten oft, dass sie durch Konkurrenten oder Startups in die Disruption gezwungen werden: “‘Disruption’ klingt negativ und wird oft als Störung eines Ereignisses, einer Aktivität oder eines Prozesses definiert”, weiß James Chedalavada, IT Director beim Automatisierungsspezialisten Nintex. Überstürzte Initiativen auf Druck von außen seien keine intelligente Reaktion und könnten Unternehmen in eine Abwehrhaltung zwingen.
“Unternehmen, die sich leichtfertig in überstürzte Disruptionsinitiativen stürzen, neigen dazu, sich pausenlos Gedanken darüber zu machen, wie ihre Konkurrenten reagieren werden – und behindern so ihr eigenes Wachstum und ihre Innovationsfähigkeit. Es ist natürlich in Ordnung, die Märkte der Konkurrenten zu analysieren, aber das sollte Ihre eigenen Innovationen ergänzen”, rät Chedalavada.
Disruption führe zu Innovation, sagt Chedalavada: “Warum darauf warten, dass andere Sie disruptieren? Seien Sie Ihr eigener Disruptor. IT-Führungskräfte müssen radikale neue Denkansätze bezüglich ihrer eigenen Produkte und Prozesse entwickeln. Innovieren Sie, bevor Sie ins Hintertreffen geraten.”
5. Digital Disruption ist nur was für Branchenriesen
“Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass die digitale Disruption in erster Linie eine Domäne von Giganten wie Amazon, Google, Apple oder den größten Wettbewerbern in Ihrer Branche ist”, sagt Thomas Phelps, CIO des Content-Management-Anbieters Laserfiche.
Phelps weist darauf hin, dass digitale Disruption schon seit Jahren kleine Unternehmen und Startups in der Tech-Stratosphäre hervorbringt: “Denken Sie an die Anfänge von Amazon, Netflix und anderen und wie oft diese Unternehmen ihr Geschäftsmodell ändern mussten, um eines zu finden, das wirklich disruptiv ist und funktioniert.”
Unternehmen jeder Art und Größe könnten zu Vorreitern der digitalen Disruption werden – unter bestimmten Voraussetzungen: “Unternehmen müssen ihre kulturelle Trägheit überwinden, um sich zu verändern. Die Disruption bietet IT- und Geschäftsführern in Unternehmen jeder Größe die Möglichkeit, in Experimente und Ideen zu investieren.”
Bei der digitalen Disruption gebe es sowohl Gewinner als auch Verlierer: “Diejenigen, die die Disruption als etwas Schlechtes ansehen oder glauben, dass die Zeit auf ihrer Seite ist, werden irgendwann nicht mehr wissen, wie ihnen geschieht. Die Gewinner werden die sein, die die die digitale Disruption als unvermeidlich akzeptieren und eine Kultur schaffen, in der Experimente und Ideen belohnt werden.”
6. Digital Disruption vernichtet Arbeitsplätze und Moral
Digitale Umwälzungen werden oft gefürchtet, weil der Irrglaube herrscht, sie würden Arbeitsplätze vernichten und seien letztlich nur eine weitere Möglichkeit für Unternehmen, sich auf ihren Gewinn und nicht auf ihre Mitarbeiter zu konzentrieren, erklärt Kevin Hall, CTO beim Robotik-Unternehmen Ripcord. Das sei eine extrem kurzsichtige Einstellung: “Ohne Disruptionen würden Unternehmen und Menschen immer wieder dieselben Arbeitsabläufe und Aufgaben ausführen.”
Zum Beweis verweist Hall auf ein frühes Beispiel für die digitale Disruption: “Papierdokumente wurden im Geschäftsalltag weitgehend durch digitale Workflows verdrängt, die auf Kollaborations-Tools, Prozessautomatisierung und Cloud-Diensten fußt. Mitarbeiter, die früher mit der manuellen Suche nach physischen Dokumenten oder Daten und der Eingabe von Tausenden von Einzelposten betraut waren, können sich jetzt auf die Steigerung des Verarbeitungsvolumens und die Verwaltung von Prozessen konzentrieren. Das sind wertvolle neue Fähigkeiten, die es den Mitarbeitern ermöglichen, mit dem Unternehmen zu wachsen.”
Hall ist davon überzeugt, dass Unternehmen, die sich strategisch auf die digitale Disruption einlassen, sich und ihre Mitarbeiter für eine erfolgreiche Zukunft positionieren: “Es gibt viele positive Beispiele für digitale Disruption, vor allem wenn es darum geht, die Bedürfnisse eines Kunden zu erkennen und eine Lösung zu schaffen. Denken Sie nur an Unternehmen wie Netflix, Uber oder Instacart. Mein wichtigster Ratschlag für kleinere Unternehmen ist: Scheuen Sie sich nicht, den Status quo in Frage zu stellen und neue Technologien zu testen, die als disruptiv angesehen werden.”
7. Digital Disruption ist optional
“Der größte Mythos der digitalen Disruption ist zu glauben, sie würde Ihr Unternehmen nicht betreffen”, warnt Alex Kalish, Chief Strategy and Solutions Officer bei Stratix. “Manche meinen, dass nur einige Branchen oder bestimmte Fachbereiche von einer potenziellen Disruption betroffen sind. Es ist aber einfach so, dass die Veränderung überall irgendwann in irgendeiner Form greift.”
Kalish rät zu einem aggressiven, aber dennoch sachkundigen Umgang mit der digitalen Disruption: “Der beste Weg, der digitalen Disruption zu begegnen, ist zu führen – nicht zu reagieren. Zu glauben, Ihr Unternehmen bliebe vor der digitalen Disruption verschont, führt dazu, dass Sie Gefahr laufen, zurückzubleiben.”
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