Sie sind seit 2014 als Chief Process Officer bei Optics Balzers, dem weltweit führenden Hersteller von kundenspezifischen optischen Beschichtungen und Komponenten für die Photonik-Industrie, tätig. Was waren für Sie die wichtigsten beruflichen Stationen? 

Carsten Rybka: „Ich habe einen relativ breiten beruflichen Hintergrund. Ich habe im Auftragsmanagement angefangen, fünf Jahre lang als Vertriebsleiter und dann als kaufmännischer Leiter gearbeitet und auch ein sehr großes Outsourcing-Projekt für die Siemens AG verantwortet. Ich denke, das alles in Kombination war einer der ausschlaggebenden Punkte, mich als Chief Process Officer zu qualifizieren. Denn beim Prozessmanagement geht es darum, einen umfassenden Blick auf das Geschehen zu haben.“ 

Welche Qualifikationen erachten Sie für eine erfolgreiche berufliche Laufbahn als Prozessmanager bedeutend? 

„Ein grundsätzliches Verständnis von Geschäftsprozessen ist natürlich relevant. Es ist aber auch wichtig, dass man sich mit dem Thema Prozessmanagement in der Theorie auseinandersetzt. Ich hatte lange Zeit eine Gastdozentur im Bereich des angewandten Prozessmanagements an der Hochschule München und habe auch Ausbildungen im Six Sigma und Lean Management absolviert. Das sind Themen, die man draufhaben sollte.“ 

Welche persönlichen Fähigkeiten sollte ein Prozessmanager mitbringen?  

„Sehr gute Kommunikationsfähigkeiten, denn man muss immer wieder auf andere Menschen zugehen, sie von bestimmten Veränderungen überzeugen, sie mit ins Boot holen und sie selbst zum Treiber machen. Eine enorme Ausdauer ist ebenfalls wichtig, denn der berufliche Alltag ist oftmals von zähen Diskussionen und Rückschlägen geprägt. Wenn Sie einen Geschäftsprozess verändern wollen, dann fallen Ihnen die Leute selten um den Hals.“ 

Was sind absolute No-Gos? 

„Wenn jemand kein praktisches Wissen mitbringt. Er oder sie muss mit den Werkzeugen des Prozessmanagements vertraut sein.“ 

Haben bestimmte Personen Sie inspiriert oder beeinflusst? 

„Bevor ich die Entscheidung getroffen habe, diesen beruflichen Werdegang einzuschlagen, nein. Seitdem ich diese Tätigkeit ausübe, habe ich sehr viele Menschen aus dem Prozessmanagement-Umfeld kennengelernt, mit denen ich mich in regem Austausch befinde. Ich habe ein großes Netzwerk – und das braucht es auch, weil nirgendwo sonst kommt man so schnell an potenzielle Problemlösungen. In so einer Position isoliert zu arbeiten, ist ungleich schwerer.“ 

Was machen Sie als Erstes, wenn Sie ins Büro kommen? 

„Mein Tag beginnt, indem ich morgens kontrolliere, ob die Standards eingehalten werden. Ich schaue mir bestimmte Berichte und bestimmte KPIs an und habe dann einen Überblick darüber, wie der Tag verlaufen wird. Wir haben morgens regelmäßig mehrere Shopfloor-Meetings und unser Qualityteam-Meeting. So läuft der Vormittag an.“ 

Welche Situationen sind in Ihrem Berufsalltag typisch? Gibt es bestimmte Termine, Themen oder auch Konflikte, die sich wiederholen? 

„Ich bin ein großer Freund von Regelkommunikation. Das heißt, bestimmte Meetings werden zur selben Zeit am selben Tag abgearbeitet. Das ist etwas, das auch für die Fortschrittskontrolle sehr gut funktioniert. Wenn ich jedes Mal eine Standardagenda habe, dann kann ich sehr schnell sehen, ob das Team performt oder ob es eben nicht performt.“ 

Was ärgert Sie in Ihrem beruflichen Alltag am meisten? Gibt es Hürden, die Sie immer wieder beschäftigen? 

„Jetzt wird es länger (lacht). Ein Thema, das mich massiv ärgert, ist, dass wir unsere gesamte Prozesslandschaft vor zwei Jahren digitalisiert haben und dieses Instrument zwar rege genutzt wird, aber eben nicht von allen. Es werden teilweise Prozesse nicht gelebt – und das führt zu Abweichungen. Es ist mühsam, dem immer wieder nachzugehen. Ein zweites Thema, das mich beschäftigt, ist Operational Excellence im Tagesgeschäft; dass eben zum vereinbarten Zeitpunkt, in der vereinbarten Qualität und in der richtigen Menge geliefert wird. Diese beiden Themen ärgern mich ziemlich, wenn sie nicht funktionieren.“ 

Wie lassen sich diese beiden Themen optimieren? 

„Das sind Management-Themen, die nicht dadurch gelöst werden, permanent denjenigen, die den Prozess nicht einhalten, eines auf die Finger zu klopfen. Es muss ein Bewusstsein für diese Themen geschaffen werden, und zwar durch gute Kommunikation. Das ist ein Schlüsselfaktor.“ 

Optics Blazers Jena

Was sind Ihre persönlichen Ziele für das kommende Jahr? 

„Das Thema Verbesserung unserer Operational Excellence ist sicher ein Dauerthema – und daraus auch folgend das ganze Thema, wie konsequent wir mit unseren eigenen Prozessen im täglichen Geschäft umgehen. Ich denke, es ist auch wichtig, die Prozesse greifbarer zu machen. Einen Prozess, den man nicht messen kann, den kann man auch nicht verbessern, weil es sich dann nur um gefühlte Temperatur handeln würde. Da ich ein großer Freund davon bin, dass alles schneller und mit weniger Aufwand funktionieren und auch für die Mitarbeiter sehr viel attraktiver werden soll, arbeite ich immer wieder sehr stark an KPI-Themen, weil da haben wir Luft nach oben. Wenn wir unsere Prozessleistung besser messen könnten, dann könnten wir diese auch besser visualisieren. Das notwendige digitale Rüstzeug steht bereit. Das hätte zur Folge, dass man viele Diskussionen versachlichen könnte.“ 

Woran scheitert es momentan? 

„Es ist ein Ressourcenthema. Jeder, der in diesem Umfeld unterwegs ist, wünscht sich eine umfassende Ressourcenausstattung.“ 

Wie viele Personen sind bei Optics Balzers im Prozessmanagement, in der Organisationsentwicklung und in der Lean Administration tätig?  

„Ich habe im Qualitätsmanagement einen Qualitätsvorausplaner, der 40 bis 50 Prozent seiner Zeit mit dem Thema Prozessmanagement verbringt. Das ist es.“ 

Welche Erfahrungen haben Sie mit externen Beraterinnen und Beratern gemacht? 

„Sehr wechselnde Erfahrungen. Aber das hängt immer vom Set-up ab. Wenn Sie einen Berater engagieren, um den Prozess in der Produktion um zehn Prozent schlanker zu machen, dann wird er den Prozess analysieren und Vorschläge ausarbeiten, die umgesetzt werden müssen. Das ist die klassische Herangehensweise. Eine zweite Möglichkeit ist, dass man Methoden heranzieht, wie sie Toyota Kata einsetzt. Das bedeutet, dass man die Mitarbeiter sehr stark einbindet und diese selbst zu Verbesserern macht. Wenn Sie denselben Prozess, den Ihnen der Berater verbessert hat, ein halbes Jahr später anschauen, werden Sie meist feststellen, dass nicht allzu viel passiert ist. Wenn Sie es aber schaffen, dass Ihre eigenen Mitarbeiter diesen Prozess verbessern, dann werden diese auch darüber wachen, dass es funktioniert. Das ist für mich ein ganz wesentlicher Unterschied.“ 

Wann haben Sie externe Berater herangezogen? 

„Es gibt natürlich Situationen, in denen externes Wissen benötigt wird. Wir haben uns oft methodisches Wissen, sei es im Projekt- oder Verbesserungsmanagement, von außen geholt. Da habe ich auch sehr gute Erfahrungen mit externen Beratern gemacht. Ich habe mit fast allen namhaften Beratern zusammengearbeitet. Aber gerade in der mittelständischen Umgebung habe ich mit Freelancern die besseren Ergebnisse erzielt –was jetzt nicht heißen soll, dass man das nicht mit den Großen auch schaffen kann. Sie brauchen aber Leute mit Hands-on-Mentalität.“  

Einer der Erfolgsfaktoren, Prozesse zu verbessern, sind also die eigenen Mitarbeiter? 

„Da kommt es auf das kleine Wörtchen nachhaltig an. Sie können Prozesse nachhaltig verbessern, wenn Sie die Mitarbeiter zu Verbesserern im Tagesgeschäft machen. Das wird Ihnen niemals bei allen gelingen, es wird immer Resistenzen geben. Mit diesen Dingen muss man jedoch leben.“ 

Welche Trends sehen Sie im Prozessmanagement? 

„Es gibt weiterhin einen Trend zur Digitalisierung und zur Automatisierung von Prozessen. Was ich sehr stark persönlich favorisiere, ist die klare Messbarkeit von Prozessergebnissen, von Prozessperformances und deren Visualisierung. Da gibt es in vielen Unternehmen Nachholbedarf. Klar ist es schön, wenn man eine Prozesslandkarte hat, die dann wunderbar im Schrank oder ausgedruckt an der Wand verstaubt, aber das reicht nicht. Es ist wichtig, dass man seine Prozesse beschreibt und eine gute Prozesssprache hat, die die Mitarbeiter auf Anhieb verstehen, um diese ins Tagesgeschäft zu involvieren. Prozessmanagement ist ein sehr spannender Job, der selbst in mittelständischen Unternehmen wie dem unseren eine enorme Wichtigkeit haben kann, aber er muss in der Geschäftsleitung verankert sein.  

Und wenn nicht? 

„Dann bleibt es eine sehr theoretische Übung. Wenn Sie in irgendeiner Abteilung X sitzen und Ihre Prozesse malen, dann werden Sie nichts verändern können. Verändern heißt aber auch, unbequem zu sein. Wenn man diesen Job machen möchte, muss man auch sagen: Es ist okay für mich, hin und wieder ein wenig unbequem zu sein.“