Professor Dr. Volker Steinhübel
 ist Geschäftsführer des Instituts für Controlling Prof. Dr. Ebert GmbH (IFC EBERT). Bereits in seiner Dissertation erforschte Professor Steinhübel die Wirkungen und Werte der strategischen Unternehmenssteuerung. Heute berät und coacht er Unternehmen und Führungskräfte vor allem in der Ausrichtung und Optimierung des Managements.

DER PROZESSMANAGER: Mit 30 Jahren Erfahrung im Controlling inkl. einer Professur an einer deutschen Hochschule, darf man Sie zurecht als Experten für das Thema Controlling bezeichnen. Wie hat sich das Themenfeld während Ihrer Tätigkeit entwickelt?

Dr. Volker Steinhübel: Anfänglich hat sich das Controlling eng mit Fragen der finanziellen Führung und Steuerung befasst. Dementsprechend gab es eine enge Verzahnung mit dem Rechnungswesen. Eine erste Emanzipation gelang, als die strategische Orientierung in die Unternehmensführung Einzug gehalten hat. Die Erweiterung um kunden-, qualitäts-, wettbewerbs- und wertbezogene Aspekte hat dem Controlling einen enormen Bedeutungszuwachs beschert. Das aktuelle Controlling hat einen noch umfassenderen Betrachtungshorizont: einerseits begreifen wir heute Controlling als Führungskonzeption, zu dessen Gelingen alle Führungskräfte ihren Beitrag leisten. Andererseits beschäftigen sich Controller in Form der Managementfunktion mit allen Fragen der nachhaltigen Steuerung des Unternehmens – angefangen bei Potenzialen und aufgehört bei Prozessen. Controlling gehört heute zu den etablierten Führungsmaximen in den Unternehmen!

DER PROZESSMANAGER: Stichwort Digitalisierung: Controlling ist, bei näherer Betrachtung, immens wichtig für die Optimierung der eigenen Prozesse. Welche Chancen sehen Sie für das Controlling in den kommenden Jahren unter Einbezug neuer Technologien?

Dr. Volker Steinhübel: Die Digitalisierung zeigt sich auch im Controlling in drei Kategorien: Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle. Inwieweit lassen sich also die Produkte des Controllings, i.e. Berichte neu und vor allem digitaler gestalten? Wie kann und muss das Controlling neue Geschäftsmodelle kalkulieren? Und – last but not least – wie können Prozesse in Echtzeit gesteuert werden? Ich spreche hier vom digitalen Dreisprung des Controllings! Alle Prozesse des Unternehmens – wertschöpfende und nicht wertschöpfende – müssen auf den Prüfstand. Das Controlling kann hier mit seiner strukturierten Vorgehensweise und der Controller mit seiner rationalen Betrachtung ein idealer Partner bei der Optimierung sein. Diese zeigt sich einerseits in einer höheren Effektivität (= machen wir die richtigen Dinge?) und in einer besseren Effizienz (= machen wir die Dinge richtig?) Dabei steht natürlich auch das Controlling mit seinen Prozessen und Instrumenten selbst im Feuer:

  • Wie kann ich den Planungsprozess digital unterstützen?
  • Inwieweit kann ich den Reportingprozess automatisieren?
  • Welche Abweichungsanalysen sind sinnvoll und digital abrufbar?
  • Was muss der Controller noch interpretieren und wo fängt das Spielfeld des Managers/In an?

Bei all diesen Fragen kann und wird die Digitalisierung das gesamte Geschehen im Controlling – d.h. bei den Prozessen und bei den Instrumenten – grundlegend und nachhaltig verändern. Controlling wird damit marktnäher, empfängerorientierter, schneller, leistungsfähiger und vor allem noch mehr zur Lebensversicherung der Unternehmen.

DER PROZESSMANAGER: Unter dem Begriff Digitalisierung verbirgt sich immer auch das Thema Automatisierung. Warum hat vor allem RPA (Robotic Process Automation) besonders großes Potenzial im Controlling?

Dr. Volker Steinhübel: Die Notwendigkeit, die Prozesse vor allem auch unter digitalen Gesichtspunkten unter die Lupe zu nehmen, ist evident. Insbesondere sogenannte Routineprozesse wie „Pflegen der Berichte und Stammdaten“, „Kostenstellenauswertung in Form eines Soll-/Ist-Vergleichs“ und „“Pflege der Planungsprämissen“ können und werden dauerhaft von RPA-Lösungen realisiert. Auch das “Outsourcing” von Routinen an Bots kann genannt werden. Dies führt in der Folge zu einer Aufwandsreduktion im Controlling und ermöglicht es den Controllern, sich auf spannendere und wesentlichere Aufgabenstellungen zu konzentrieren.

Wichtig ist dabei – auf Basis einer Nutzwertanalyse – die Prozesse und Themen heraus zu finden, welche stark repetitiv geprägt sind und deren Abwicklung wenig Gegenliebe erzeugt.

DER PROZESSMANAGER: Wo sehen Sie die Herausforderung für das Controlling bei der digitalen Transformation der Geschäftsmodelle?

Dr. Volker Steinhübel: Bei dieser Aufgabenstellung geben sich meiner Meinung nach folgende Herausforderungen zu erkennen:

  • Erstens müssen Controller lernen, mehr strategisch und in Ökosystemen und nicht so sehr in Stellen und Trägern zu denken und zu agieren.
  • Zweitens ist weiterhin das strikte Betrachten einer Periode nicht mehr zeitgemäß.
  • Drittens zeigen heute viele Kosten einen fixen Charakter und es ergibt sich gleichzeitig das Phänomen von Grenzkosten = „0“
  • Viertens sind fehlende Geschäftsmodelle für die Zukunft auch ein „Verdienst“ der Controller. Denn auch sie haben zu wenig Druck gemacht und sich zu sehr auf Erfolgen der Vergangenheit ausgeruht.
  • Fünftens ist heute mehr und mehr auch die Einhaltung der Rechtmäßigkeit, d.h. von Compliance zu beachten. Dies bringt eine detailliertere Betrachtung der Wertschöpfungsketten und -umläufe in den Blickpunkt des Controllers – unter anderem mit der Problemstellung der wirtschaftlichen Zuordnung des Gewinns!
  • Sechstens sind klassische Zuschlagskalkulationen nicht immer für (digitale) Geschäftsmodelle einsetzbar. Ab und zu lohnt sich hier ein Blick ins Lehrbuch, die Divisionskalkulation, Äquivalenzziffernkalkulation oder noch besser die Prozesskalkulationen sind wahrscheinlich wieder mehr gefragt.

DER PROZESSMANAGER: Geben Sie uns doch zum Abschluss einen kleinen Ausblick in die Zukunft. Hat der „klassische“ Controller ausgedient und braucht es künftig nur noch „Data Scientists“ in den Unternehmen?

Dr. Volker Steinhübel: Klassische Controller – was heißt das? Schon heute sind Controller nicht mehr in den Unternehmen dazu da, nachzurechnen, was andere schon vorgerechnet haben! Gleichzeitig sind sie auch nicht die „bösen Buben“, welche andere anzeigen oder alles kaputt rechnen. Dieses Bild des Controllers ist schon lange – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis – überholt. Doch welche Rollen werden sich für die Zukunft ausprägen und dann etablieren? Aus meiner Sicht sind es:

  • der Spezialist: er fungiert weiterhin als derjenige, welcher die Prozesse und Instrumente der Planung, Kontrolle und Information unternehmensweit beherrscht.
  • der Data Scientist: welcher die Muster in den Daten erkennt, Verknüpfungen und Interpretationen der Informationen ermöglicht sowie Algorithmen zur Prognose und Simulation zur Gewinnung von Intelligence implementiert.
  • der Business Partner: welcher als Sparringspartner dem Management helfend und unterstützend – manchmal auch sehr kritisch – zur Reflektion zur Verfügung und beiseite steht.

Alle drei Aufgaben und Rollen sind wertvoll und erforderlich. Nur gilt nicht mehr: „One size fits it all!“. Sondern wir brauchen unterschiedliche Typen mit unterschiedlichen Anzügen und Qualifikationen. Die spannende Frage wird sein, wie vor allem der Mittelstand dieses Thema angeht und am Ende auch hinbekommt.

DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank Dr. Steinhübel für die wertvollen Einblicke!

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