DER PROZESSMANAGER: Guten Tag Herr Starke, zu Beginn des Jahres sprachen wir über den Einstieg ins Process Mining, sowie die Keyplayer auf dem Markt. Natürlich ist Process Mining – genau wie RPA – das absolute Trendthema im Kontext Organisationsgestaltung. Mittlerweile gibt es rund 25 Anbieter im Process Mining, v.a. aus Europa.

Wie erklären Sie sich das “Process Mining Zentrum” in Europa?

Markus Starke: Das hängt sicherlich stark an der Historie. Process Mining ist immer noch ein recht stark akademisch getriebenes Thema, deutlich mehr als z.B. Robotic Process Automation. Die Forschung hat in der Vergangenheit zu großen Teilen an mitteleuropäischen Universitäten stattgefunden. Hier spielt die TU Eindhoven (früher mit Wil van der Aalst, der aber mittlerweile an der RWTH Aachen lehrt) eine zentrale Rolle, aber auch andere Einrichtungen wie das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam haben das Thema aufgegriffen. Mehr oder weniger direkt aus der universitären Forschung haben sich einige der auch heute noch wesentlichen Anbieter entwickelt.

Darüber hinaus haben einige Anbieter meines Wissens nach auch von weiteren öffentlichen Fördermöglichkeiten für Forschungsprogramme profitiert. Nicht zuletzt spielt sicher auch eine gewisse räumliche Nähe zu SAP eine große Rolle.

SAP-Prozesse stehen für viele Anbieter und Anwender im Zentrum der Process Mining-Initiativen. Der Markt ist letzten Endes immer noch recht klein und fokussiert, die Schlüsselpersonen kennen sich zu einem großen Teil untereinander. Insgesamt ist aber eine weitere Globalisierung des Themas erkennbar.

DER PROZESSMANAGER: Wenn man sich den Markt indes anschaut, scheint es als ob die Process Mining Anbieter sich weiter vermehren. Das hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass Investoren sehr viel Aufmerksamkeit auf die Unternehmen richten. Wie schätzen Sie die zukünftige Marktentwicklung ein – Wohin geht die Reise?

Markus Starke: Ich bin überzeugt davon, dass die Anzahl Anbieter nicht dauerhaft wachsen kann. Die Einstiegshürde scheint zwar technologisch relativ niedrig zu sein, was man unter anderem daran sieht, dass die Anbieter mit verhältnismäßig kleiner Mannstärke tolle Produkte erarbeiten.

Ein Extrembeispiel dafür ist Fluxicon, aber selbst Celonis ist noch kein riesiger Software-Konzern. Teilweise liegt dies sicherlich darin begründet, dass ein wesentlicher Teil des notwendigen Wissens durch die Forschung frei zur Verfügung gestellt wurde und ein Teil der Anbieter auch einen sehr offenen Community-Ansatz haben. Trotzdem werden sich hier wie auf den meisten Software-Märkten weiter Standards und Marktführer etablieren und entwickeln.

Interessant ist natürlich, dass Process Mining-Funktionen auch immer mehr in Produkten zu finden sind, die im Kern auf andere Dinge ausgerichtet sind, wie z.B. Splunk. Das Interesse der Investoren und Käufer am Process Mining-Markt ist aktuell offensichtlich, unter anderem anhand der Übernahme von Processgold durch UiPath.

DER PROZESSMANAGER: Nun wird ja sehr viel über die Thematik debattiert. Im September 2019 auch auf der 17th International BPM Conference in Wien. Dennoch sind Case Studies hinsichtlich der Umsetzung eher rar.

Woran liegt es, dass Process Mining noch nicht gänzlich in den Unternehmen angekommen ist?

Markus Starke: Das hat aus meiner Sicht eine Vielzahl von Gründen. Es fängt damit an, dass Softwareauswahl und -einkauf ihre Zeit brauchen. Gerade bei Großkonzernen dauert es teilweise sehr lange von der ersten Idee über eine erste Pilotierung bis zur Entscheidung für ein Produkt und der Umsetzung einer größeren Einführung. Process Mining realisiert selber normalerweise keine direkten Effizienzgewinne oder Qualitätsverbesserungen, auch wenn es Ansätze in diese Richtung gibt. Process Mining gibt entscheidende Hinweise auf diese Punkte.

Damit fehlt aber auf den ersten Blick einigen Entscheidern der ganz unmittelbare Mehrwert, der sich dann auch nicht entsprechend budgetieren lässt. Teilweise fehlt in den Unternehmen auch die initial notwendige Vorstellungskraft und Kreativität, sowie manchmal die weiterführende Kompetenz, um die Einsatzmöglichkeiten und Vorteile von Process Mining zu sehen.

Ich sage in Diskussionen häufig: Während klassische Business Intelligence zeigt, ob etwas funktioniert oder nicht, gibt Process Mining Einblicke und Anhaltspunkte, wie und warum etwas funktioniert oder nicht. Dieser Gedankengang ist aber häufig nicht unmittelbar adaptierbar, wenn überhaupt erstmal mit ganz einfachen Datenanalysen gestartet werden muss. Teilweise machen Process Mining-Anbieter zudem falsche Versprechungen, was Kunden-seitig zu Enttäuschungen führt.

Ja, wenn Process Mining einmal läuft, dann können einige Analysen damit sehr schnell durchgeführt werden. Aber: Einerseits braucht man für eine tiefergehende Interpretation dann immer noch den menschlichen Verstand und andererseits ist es häufig ein gefühlt weiter Weg, bis die erste zufriedenstellende Analyse erreicht ist.

Dieser Weg sollte sich deutlich verkürzen, je mehr Process Mining in den Unternehmen ankommt.

Hinweis: Wenn Sie mehr über Process Mining erfahren möchten, kontaktieren Sie Herrn Starke für ein unverbindliches Gespräch über starkeconsulting.net Natürlich geht auch die Kontaktaufnahme via Social Media per LinkedIn oder Xing.

DER PROZESSMANAGER: Besonders das ganzheitliche Verständnis scheint den Unternehmen immer noch schwer zu fallen. Wenn Process Mining also nicht solitär funktionieren kann, wie hängt Process Mining mit anderen Tools (BPM / RPA) zusammen?

Markus Starke: Unternehmen sollten nicht annehmen, dass die Einführung einer Process Mining-Lösung (oder eines beliebigen anderen Trends) die wahrgenommenen Probleme löst. Letzten Endes muss man sich Gedanken um das Gesamtsystem machen.

In diesem Rahmen ist es natürlich schwierig, das vollständig zu beschreiben, trotzdem hier einige Ansatzpunkte:

  • Welche personellen Kompetenzen und organisatorischen Kapazitäten für die erfolgreiche und zielführende Nutzung von Process Mining im Unternehmen werden benötigt?
  • Wie hängen diese mit anderen Prozess-nahen Themen wie Prozessmanagement und RPA zusammen?
  • Wie sollten die Verantwortlichen zusammenarbeiten?
  • Kann Process Mining mit den etablierten Vorgehensweisen aus Lean Management, Six Sigma etc. integriert werden?

Viele Unternehmen haben bereits Initiativen rund um Artificial Intelligence, Machine Learning und/oder Big Data. Auch hier sollte die Verbindung hergestellt werden. Bei Analyse, Entwurf und Optimierung von Prozessen sollte grundsätzlich auch die Process Mining-Perspektive zumindest in Erwägung gezogen werden.

Beim Aufbau von Prozessen und der Einführung von Systemen sollte wiederum von vornherein die Frage gestellt werden, wie die Prozesse zukünftig kontrolliert und analysiert werden sollen, ob also Process Mining als eine Zielanalyse berücksichtigt werden kann. Process Mining kann z.B. auch für die Analyse und Kontrolle von RPA-Aktivitäten angewendet werden.

DER PROZESSMANAGER: Blicken wir in die Zukunft: Wie sieht für Sie der Aufbau eines “perfekten Unternehmens der Zukunft” aus, in dem RPA, als auch Process Mining erfolgreich zum Einsatz kommen?

Markus Starke: Bei dieser Frage sollte man in Richtung Intelligent Process Automation schauen. U.a. McKinsey hat hier aus meiner Sicht richtungsweisende Konzepte erarbeitet (einsehbar unter: https://www.mckinsey.com/business-functions/mckinsey-digital/our-insights/intelligent-process-automation-the-engine-at-the-core-of-the-next-generation-operating-model).

Ich denke, dass Unternehmen sich gesamtheitlich mit dem Aufbau eines möglichst „intelligenten“ Prozessmanagements beschäftigen müssen. Der Artikel von McKinsey erwähnt zwar nicht explizit Process Mining, es lässt sich in das Konzept aber sehr sinnvoll integrieren.

Bei der Optimierung von Prozessen sollte man also nicht einfach nur fragen: „Wo kann ich Process Mining einsetzen?“ Die wichtigeren Fragen sind: „Was will ich in diesem Prozess erreichen? Was muss ich dafür grundlegend verändern? Welche Digitalisierungsmaßnahmen und Bausteine aus dem IPA-Baukasten können hier helfen?“ Zu der letzten Frage kann Process Mining ggf. mit weiteren Bausteinen die richtige Antwort sein.

DER PROZESSMANAGER: Vielen Dank Herr Starke für’s Teilen Ihres Wissen Ihre Meinung zu Process Mining und RPA. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und spannende Projekte!

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